Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2 | |
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auf alle Fälle einmal die Unwahrheit gesagt habe und daß sie heute manche Einzelheiten angegeben, von denen sie in der vorigen Verhandlung kein Wort gesagt habe. Sie antwortete, daß sie nicht danach gefragt worden sei. – Justizrat Dr. Sello: Ich frage Sie nun auch unter Hinweis auf die Heiligkeit des Eides: Was ist nun wahr, was Sie zuerst oder was Sie zuletzt gesagt haben? – Zeugin: Was ich zuletzt gesagt habe. – Angeklagter Sternberg: Ich habe die Zeugin im ersten Termin zum erstenmale gesehen. Ich erkläre so feierlich wie möglich, daß ich das Mädchen vorher niemals gesehen habe. Ich hatte schon im vorigen Termin den Eindruck, daß durch eine Improvisation Frl. Wender unglaubwürdig gemacht werden sollte. Wie das Komplott zustande gekommen ist, vermag ich im Augenblick nicht zu übersehen, das wird sich aber hoffentlich noch ergeben. Jedenfalls spricht das Vorleben, die Vorstrafen und noch manches andere nicht für die Glaubwürdigkeit der Zeugin. Bezüglich des Vorlebens möchte ich beantragen, die Akten vorzulegen. Ich werde verschiedene Persönlichkeiten benennen, die über die Glaubwürdigkeit der Zeugin bekunden werden. – Die Zeugin wehrte sich gegen diese Äußerungen. Herr Ebstein habe ihr auch einmal gesagt, Stierstädter und v. Tresckow würden noch ins Zuchthaus gebracht werden. – Angeklagter Sternberg: Er habe die bestimmte Überzeugung, daß die Namen Wilson und Ebstein nicht zufällig durch das Mädchen in die Verhandlung hineingebracht worden seien, daß dies alles vielmehr nur Glieder einer wohlgeordneten Komplott-Kette sei. Auf eingehendes Befragen des Angeklagten erklärte die Zeugin, daß sie mit Stierstädter, außer bei Gelegenheit einer Vernehmung, nicht zusammengekommen sei. Ihren Vater kenne Stierstädter, sie wisse aber nicht, ob er in dessen Wohnung gewesen sei. – Angeklagter Sternberg: Es hat auf mich den Eindruck gemacht, daß hier ein weiteres Glied einer sehr geschickt und höchst gewandt konstruierten Abrede vorliegt. Das Mädchen ist nach meiner festen Überzeugung dahin instruiert
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 252. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/260&oldid=- (Version vom 1.8.2018)