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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2

überhaupt über alle weiteren Mitteilungen, die mir Hau gemacht hat. – Vors.: Nach den gesetzlichen Bestimmungen wird das Gericht, wenn Sie bei Ihrer Weigerung beharren sollten, nicht umhin können, das Zwangsverfahren gegen Sie anzuwenden. – Staatsanwalt Dr. Bleicher: Der Herr Zeuge hat sich wichtig gemacht und sich selbst als Zeuge angeboten, er ist daher auch verpflichtet, Zeugnis abzulegen. Da der Zeuge sich weigert, so beantrage ich zunächst den § 69 Abs. 1, eventuell auch den Abs. 2 gegen ihn in Anwendung zu bringen. – Vert.: Es ist falsch, daß Herr Referendar Lenk sich selbst als Zeuge angeboten hat. Er hat lediglich mit seinem Verteidiger, Herrn Rechtsanwalt Vögele Rücksprache genommen. Herr Rechtsanwalt Vögele hat, angesichts des schweren Falles, sich verpflichtet gefühlt, dies dem Gerichtshof mitzuteilen. Da der Herr Zeuge sich weigert, Zeugnis abzulegen, so beantrage ich, da es sich um das Leben des Angeklagten handelt, den § 69 Abs. 1 und eventuell auch den § 69 Abs. 2 in aller Schärfe gegen ihn in Anwendung zu bringen. – Der Gerichtshof trat schließlich in Beratung. Der Vorsitzende verkündete alsdann: Der Gerichtshof hat beschlossen, den Zeugen Kunstmaler Lenk, weil er ohne gesetzlichen Grund sein Zeugnis verweigert, auf Grund des § 69 Abs. 1 der Strafprozeßordnung zu einer Geldstrafe von 50 M., für die im Nichtbeitreibungsfalle 3 Tage Haft zu substituieren seien, zu verurteilen; von einer Zwangshaft auf Grund des § 69, Abs. 2 der Strafprozeßordnung hat der Gerichtshof vorläufig Abstand genommen. – Vert.: Dann bleibt eine äußerst wichtige Sache in diesem Prozeß unaufgeklärt. – Vors.: Der Gerichtshof hat doch den Zeugen zu einer Strafe verurteilt. – Vert.: Es hätte doch auf alle Fälle durch Anwendung der Zwangshaft der Versuch unternommen werden müssen, den Eigensinn des Zeugen zu brechen, damit er seine Wissenschaft über einen sehr wichtigen Punkt kundgibt. – Vors.: Es entsteht doch die Frage, ob, wenn der Zeuge in Haft genommen worden wäre, er aussagen würde. – Vert.: Der Versuch hätte unternommen werden

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 29. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/37&oldid=- (Version vom 31.7.2018)