eine Entfremdung eingetreten. Welchen Grund sie hatte, kann ich nicht angeben. Meine erste Ehe mit Franz von Lenbach ist meiner Erinnerung nach 1896 getrennt worden. Vor meiner Trennung waren die Beziehungen zum Grafen Moltke sehr freundschaftliche. Eine feindliche Stimmung gegen meinen Onkel habe ich niemals gehabt, habe sie auch jetzt nicht. Mit Frau v. Elbe bin ich auf Grund eines Briefes, in dem sie mich bat, sie einmal zu besuchen, näher bekannt geworden. Es kann das 1900 gewesen sein. Auf Grund dieses Briefes bin ich zu ihr gegangen. Es war das nur ein kurzer Besuch… Wir traten dann auch wegen des Mitleids, das ich mit ihr empfand, in näheren Verkehr, ohne daß daraus eine direkte tiefe Freundschaft geworden ist. Mir ist es so, als wenn Frau v. Elbe später den Wunsch ausgesprochen habe, mit Harden bekannt zu werden. Es kann aber auch sein, daß mein Mann oder ich ihr den Namen Harden zuerst genannt hat. Wir haben dann Frau v. Elbe mit Harden bekannt gemacht. – Harden betonte im Anschluß an die Verlesung, daß die Hilfe, die er der Frau v. Elbe bringen, nicht darin bestehen sollte, etwas aus ihrem Ehescheidungsprozeß zu veröffentlichen. Seine Hilfe sollte nur darin bestehen, daß er sich mit Justizrat Dr. Sello, den sie für einen scharfen Verfolger hielt, in Verbindung setzen und für einen Ausgleich ein wenig plädieren sollte. – Justizrat Dr. Sello: Er sei mit Harden mehr als bekannt und sehr erstaunt gewesen, eines Tages von Herrn Harden einen Brief zu erhalten, in welchem er etwa schrieb: „Ich möchte gern einmal kriminalistisch mit Ihnen plaudern. Ich habe über einen Prozeß, den Ihr Kollege, Herr Rechtsanwalt Dr. Silberstein, für den Grafen Moltke führt, Mitteilungen erstaunlicher Art zu machen. Ich habe Material zur Hand, das einen der größten politischen Skandale in Deutschland hervorgerufen könnte.“ Er sei darüber ganz entsetzt gewesen und habe Herrn Harden ersucht, nicht nur eine Person zu hören, sondern beide Teile, und habe ihm angeboten, auch das der
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 3. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 289. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_3_(1911).djvu/297&oldid=- (Version vom 17.3.2024)