Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 3 | |
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ersten Jahre meines Lebens bei meinen Eltern verbracht. Mit fünfzehn Jahren wurde ich in einem Pensionat für adlige Kinder untergebracht. Mit sechzehn Jahren lernte ich den Grafen Tarnowski kennen, der bei uns zu Besuch weilte und mit meinen Eltern befreundet war. Vors.: Tarnowski hatte sich in Sie verliebt? Angekl.: Im Sommer 1894 hat er sich um meine Hand beworben. Mein Vater war dagegen und der Vater meines zukünftigen Mannes auch; um diese Hindernisse zu überwinden, ließen wir uns heimlich in einem Dorfe bei Kiew trauen. Gleich darauf begaben wir uns nach Petersburg. Mein Mann drückte sehr oft den Wunsch aus, eine Tochter zu bekommen. Er begann dann einer Dame den Hof zu machen, die von ihm auch ein Kind erhielt. Tarnowski erzählte mir später, daß er diese Dame verlassen habe; doch erfuhr ich, daß die Dame von ihm fort sei. Vors.: Was für ein Leben haben Sie mit Ihrem Manne geführt? Angekl.: In Petersburg hat mich mein Mann immer in Restaurant- oder Cafékonzerte geführt, wo mir viele den Hof machten. Einmal erklärte mir ein Freund meines Mannes, daß er mich liebe. In meiner Offenheit erzählte ich es meinem Manne wieder. Er meinte, er sei nicht mein Wächter, und es würden mir noch andere den Hof machen. Eines Tages hatte ich den Einfall, einen Besuch bei der ehemaligen Geliebten meines Mannes zu machen. Sie sagte mir, ich müßte mit meinem Manne ein sehr trauriges Leben führen, denn es sei bei seinem Charakter nicht anders möglich. – Vors.: Sie behaupten, daß ihr Mann Sie zu einem liederlichen Lebenswandel geführt habe? Angekl.: Nachdem ich im Pensionat und auch bei meinen Eltern ein Klosterleben geführt hatte, war mein späteres Leben lasterhaft. Eines Tages besuchte mein Mann seine Tochter, das Kind jener Dame, und erzählte mir davon. Dies ekelte mich an und ich verließ Petersburg, um mich nach Kiew zu begeben. Mein Mann kam dann zu mir. Als ich eines Tages ins Zimmer trat, sah ich meinen Mann, wie er das
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 3. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_3_(1911).djvu/32&oldid=- (Version vom 28.12.2022)