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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 4

die kleine Lucie verschwand, Sie der einzige Mann waren, der sich in dem Hause Ackerstraße 130 befunden habe? – Angekl.: Darüber kann ich nichts sagen, ich bin es jedenfalls nicht gewesen. – Auf Befragen des Mediz.-Rats Dr. Leppmann bemerkte der Angeklagte: Er habe als Kind die englische Krankheit gehabt und leide jetzt etwas an Schlaflosigkeit. Vier Wochen vor seiner Verhaftung habe er befürchtet, schwermütig zu werden. – Vors.: Wie kam das? – Angekl.: Weil ich die Liebetruth nicht heiraten, überhaupt von ihr loskommen wollte. Die Liebetruth drohte mir aber, mich zu erschießen, wenn ich sie nicht heiraten wolle. Auf Befragen des Verteidigers äußerte der Angeklagte: er habe sich trotzdem weiter zu bilden gesucht und sich u. a. Kürschners Bücherschatz angeschafft. – Im weiteren Verlauf der Verhandlung wurde auf Antrag des Staatsanwalts die Öffentlichkeit, einschließlich der Vertreter der Presse, ausgeschlossen, weil eine Gefährdung der Öffentlichen Sittlichkeit zu besorgen war. – Auch am folgenden Morgen wurde eine Zeitlang unter Ausschluß der Öffentlichkeit verhandelt. – Nach Wiederherstellung der Öffentlichkeit sagte der Angeklagte auf Befragen des Vorsitzenden: Er habe sich dem Mädchen, das er in der Nacht vom 9. zum 10. Juni bei sich hatte, als Inhaber der Wohnung ausgegeben. Das Haus Ackerstraße 130 sei, wie stets, auch in dieser Nacht aufgewesen. Es wohnen in diesem Hause sehr viel Prostituierte und junge Leute, die die ganze Nacht fast unaufhörlich aus- und eingehen. – Vert. Rechtsanw. Bahn: In Zeitungen wird mitgeteilt, daß der Zuhälter Lenz, der ebenfalls in dem Hause Ackerstraße 130 wohnte, der Tat verdächtig gewesen sei. Ich erlaube mir die Frage, ob Lenz als Zeuge geladen ist. – Vors.: Soviel ich weiß, ist Lenz als Zeuge geladen worden, sein Aufenthalt ist aber nicht zu ermitteln. – Staatsanw. Dr. Lindow: Lenz, der im Hause Ackerstraße 130 mit der Prostituierten Seiler zusammenwohnte und dieser Zuhälterdienste leistete, wurde im Juni unter dem Verdacht

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 4. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_4_(1911).djvu/15&oldid=- (Version vom 1.8.2018)