Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 4 | |
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ist es, die hier bestimmt, was zulässig ist und was nicht. Die Frage, ob Breithaupt und seine Gehilfen diese Schranken gewahrt haben, muß entschieden verneint werden. Selbst in den mildesten Fällen, wo nur mit der Reitpeitsche gezüchtigt wurde, sind sie überschritten worden. Reitpeitschen mögen für Pferde und Hunde geeignet sein, für Menschen aber sind sie nicht bestimmt. Dieses Gefühl mußte Breithaupt und auch seine Gehilfen haben. Sie haben aber nicht nur objektiv, sondern auch bewußt die Schranken des Sittengesetzes überschritten. Gegenüber den schlimmeren Fällen, wo die Klopfpeitsche und der Handstock benutzt wurden, mußte selbst der Blödeste sich sagen, daß solche Züchtigungsmittel unzulässig sind. Weder objektiv noch subjektiv sind die Grenzen des Züchtigungsrechts innegehalten worden, vielmehr liegt vorsätzliche Körperverletzung im Sinne des § 223 vor. Es ist auch der Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung gegeben. Die benutzten Werkzeuge sind gefährliche; Reitpeitsche, Klopfpeitsche, Handstock sind nicht auf eine Stufe zu stellen mit dem Rohrstock des Lehrers. In einigen Fällen ist Breithaupt selbständiger Täter, in anderen Fällen sind Täter die Gehilfen, denen gegenüber er Anstifter war, die aber selber sich der Widerrechtlichkeit ihres Tuns bewußt waren. Auch der strafbaren Freiheitsberaubung hat Breithaupt in mehreren Fällen sich schuldig gemacht. Nicht durch die den Züchtigungen sich anschließenden Einsperrungen an sich, sondern durch die Art und Weise dieser Einsperrungen, die gegen das Sittengesetz verstieß und widerrechtlich war, ist der Tatbestand der strafbaren Freiheitsberaubung gegeben. Im wesentlichen sind die Aussagen der als Zeugen vernommenen Fürsorgezöglinge als glaubwürdig erachtet worden. Ihre Angaben waren zuverlässig, abgesehen von kleinen Abweichungen. Die Jungen waren offensichtlich bemüht, die Wahrheit zu sagen. Das war maßgebend für den Gerichtshof, so sehr er sich im übrigen bewußt war, daß
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 4. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 295. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_4_(1911).djvu/299&oldid=- (Version vom 22.12.2023)