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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5

zu verantworten. Fast sämtliche vernommenen Zeugen, auch die dem christlichen und Hirsch-Dunckerschen Verbande angehörenden, bekundeten: der Vorgang sei in der „Deutschen Bergarbeiterzeitung“ wahrheitsgemäß geschildert. Gendarm Münter trat jedoch – ich war in der Verhandlung als Berichterstatter tätig – in einer Weise als Zeuge auf, die die Würde des Gerichts in hohem Maße verletzte. Dies Auftreten wurde eigentümlicherweise mit keinem Worte gerügt. Münter hielt selbstverständlich mit größter Entschiedenheit seine frühere Bekundung vollständig aufrecht. Trotzdem haben die Angehörigen aller politischen Parteien den Freispruch mit vollster Sicherheit erwartet. Man glaubte allgemein, die Geschworenen werden kaum länger als zwanzig Minuten beraten. Sie hatten sich gegen 73/4 Uhr abends zurückgezogen und traten erst nach Mitternacht wieder in den Saal. Sie bejahten alle Schuldfragen, die Angeklagten wurden daher sämtlich zu mehrjährigen Zuchthausstrafen verurteilt. Die gegen das Urteil eingelegte Revision wurde vom Reichsgericht verworfen. Von verschiedenen Seiten wurde den Angeklagten geraten, Gnadengesuche einzureichen. Sie lehnten aber sämtlich dies Ansinnen mit dem Bemerken ab: Sie wollten keine Gnade, sondern Recht. Die Angeklagten haben sämtlich die Zuchthausstrafen verbüßt. – Rechtsanwalt Dr. Victor Niemeyer (Essen, Ruhr), ein damals noch sehr junger Anwalt, der einige Wochen vorher mit großem Geschick vor dem Landgericht zu Aachen in Gemeinschaft mit dem verstorbenen Reichstagsabgeordneten Justizrat Lenzmann (Lennep) Mellage und Genossen wegen Beleidigung der Brüder des Aachener Alexianerklosters verteidigt hatte (siehe erster Band „Die Geheimnisse des Alexianer-Klosters Mariaberg [Bruder Heinrich]“), war Verteidiger des Redakteurs Margraf und auch in dem Meineidsprozeß Schröder und Genossen vor dem Schwurgericht. Dieser glänzende Verteidiger, der schon damals in ganz Rheinland und Westfalen in allen Gesellschaftskreisen sich

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 180. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_5_(1912).djvu/184&oldid=- (Version vom 1.8.2018)