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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5

beantrage ich einen Gerichtsbeschluß. In dem zur Anklage stehenden Artikel mit der Überschrift „Jeu“ wird u. a. behauptet: Assessor Hellwarth habe sich wegen Spielschulden erschossen. Ich muß ausdrücklich bemerken: ich bin ein entschiedener Gegner jeder Skandalsucht, ich habe deshalb auch anfänglich die Verteidigung Biermanns abgelehnt. Ich habe mich aber schließlich, unter Zustimmung meines Sozius, entschlossen, die Verteidigung zu übernehmen, weil ich zu der Überzeugung gekommen war, es sei gegen Biermann ein juristisches Unrecht begangen worden, indem man ihm jeden Wahrheitsbeweis abgeschnitten hat. Der Angeklagte nimmt den § 193 des Strafgesetzbuches für sich in Anspruch. Dieser kann ihm aber nicht zugute kommen, wenn der Wahrheitsbeweis beschränkt wird. Zum mindesten ist bei der Strafzumessung der Wahrheitsbeweis von Belang. Nach einer Entscheidung des Reichsgerichts ist der Wahrheitsbeweis selbst dann als geführt zu erachten, wenn nur die Mehrheit der Behauptungen bewiesen ist. Das Reichsgericht hat aber auch entschieden, wenn der Angeklagte auch nur geglaubt hat, in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt zu haben, so steht ihm der § 193 des Strafgesetzbuches zur Seite. Ich muß daher auf meinem Antrag mit aller Entschiedenheit bestehen. – Vert. R.-A. Greving: Ich muß mich dem Antrage meines Herrn Kollegen anschließen. Die Fragestellung mag ja etwas unangenehm sein, sie ist aber im Interesse der Sache nicht zu umgehen. – Erster Staatsanw. Riesebieter: Ich beantrage, die Frage als unzulässig zurückzuweisen. Die Beweisführung kann sich nur auf die drei Anklagepunkte erstrecken. Ich bin der Meinung, sobald die Absicht der Beleidigung festgestellt ist, kann der Wahrheitsbeweis eine Einschränkung erfahren. – Vertr. des Nebenklägers, R.-A. Wisser: Ich kann mich der Ansicht des Herrn Ersten Staatsanwalts nur anschließen. Die Anklage ist lediglich erhoben, wegen des Vorwurfs, der Herr Minister habe Herrn Direktor Früstück, weil dieser

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 53. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_5_(1912).djvu/57&oldid=- (Version vom 29.4.2024)