Zum Inhalt springen

Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 6 (1912).djvu/151

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6

genötigt, die Verhandlung auf unbestimmte Zeit zu vertagen. Am 3. Oktober 1911 begann die Verhandlung vor derselben Strafkammer von neuem. Es entwickelte sich nunmehr ein Skandalprozeß, wie er glücklicherweise zu den größten Seltenheiten gehört. Der Angeklagte schien durch die lange Untersuchungshaft körperlich schwer gelitten zu haben; er sah sehr blaß und kränklich aus. Den Vorsitz des Gerichtshofs führte, ebenso wie das erstemal, Landgerichtsdirektor Crüger. Die Anklage vertrat Staatsanwaltschaftsrat Dr. Porzelt. Die Verteidigung führte Rechtsanwalt Dr. Walter Jaffé und Rechtsanwalt Dr. Max Alsberg. Vor Verlesung des Anklageanschlusses nahm das Wort Verteidiger, R.-A. Dr. Jaffé: Der Angeklagte fürchte, daß der Vorsitzende durch eine Anweisung des Justizministers beeinflußt sei. Es sei eine Anweisung des Justizministers an den Untersuchungsrichter in der mit dieser Strafsache eng zusammenhängenden Anklagesache wegen Falschspiels vorhanden, durch die der Untersuchungsrichter gehindert worden sei, die Voruntersuchung gegen den Angeklagten Grafen W.-M. schon jetzt (was der Untersuchungsrichter wollte) zu schließen. Dieser Eingriff benachteilige den Angeklagten, gegen den bisher nicht der geringste Schuldbeweis wegen Falschspiels erbracht sei, und sei gesetzwidrig, weil der Justizminister dem Untersuchungsrichter nach dem Gerichtsverfassungsgesetz überhaupt keine Anweisungen geben dürfe. Der Untersuchungsrichter dürfe nach § 188 StrPO. die Voruntersuchung nicht weiter ausdehnen, als erforderlich sei, um eine Entscheidung darüber zu begründen, ob das Hauptverfahren zu eröffnen oder der Angeschuldigte außer Verfolgung zu setzen sei. Der Angeklagte befürchte ferner eine Benachteiligung, weil die vorliegende Strafsache wegen Kreditbetruges erst eingeleitet worden sei, a) nachdem in der Strafsache wegen Falschspiels, in der allein der Angeklagte ausgeliefert war, sich herausstellte, daß ein Schuldbeweis wahrscheinlich nicht zu führen sei und die Staatsanwaltschaft

Empfohlene Zitierweise:
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 147. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_6_(1912).djvu/151&oldid=- (Version vom 6.1.2023)