Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6 | |
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doch geschehen! – Vors.: Ich muß auch dringend ersuchen, sich nur an die Erörterung der Frage zu halten, inwiefern die vier abgelehnten Richter befangen sein sollen. – Angekl.: Ich bin doch kein Rechtsanwalt und kann das, was ich vorzubringen habe, nicht in drei Worten sagen. – Vors.: Sie müssen sich aber an die Sache halten. – Angekl. (erregt): Wenn ich hier wieder vergewaltigt werde, wenn man mich wieder mit Füßen tritt, dann sage ich kein Wort mehr. Es ist mein gutes Recht, mich zu verteidigen. Alles hackt hier auf mich herum, man will mir das Wort entziehen. – Vors.: Wollen Sie sich nun sachlich äußern oder nicht? – Angekl.: Jawohl! Aber wenn Sie mich immer unterbrechen, kann ich es nicht! Es ist durchaus richtig, daß bei meinem Onkel, dem Botschafter Grafen Wolff-Metternich angefragt worden ist, ob er meine Schulden bezahlen wolle. Das ist wahr, das steht in den Akten! Wahr ist auch, daß der Untersuchungsrichter Dr. Sprockhoff, der den die Sache führenden Untersuchungsrichter vertrat, einen Brief des Grafen v. d. Schulenburg unterschlagen hat. – Staatsanw.-Rat Porzelt: Ich muß doch derartige Äußerungen und beleidigende Behauptungen, die durchaus nicht zutreffen, entschieden zurückweisen. – Vors.: Es sind derartige Vorwürfe nicht zulässig, wie sich der Angeklagte selber sagen muß, denn er wirft damit einem Richter eine strafbare Handlung vor! – Angekl.: Ich sehe darin auch eine strafbare Handlung! – Der Vorsitzende, Landgerichtsrat Brieskorn vernahm alsdann in öffentlicher Sitzung die abgelehnten Richter. – Landgerichtsdirektor Crüger: Ich erkläre dienstlich, daß ich mich in keiner Weise für befangen halte, sondern dem ganzen Straffall völlig unbefangen gegenüberstehe, wenn sich auch persönlich eine gewisse Meinung gebildet hat, wie es bei jedem der Fall sein wird, der die Akten sorgfältig und ernst studiert hat. Was die einzelnen Punkte betrifft, so erkläre ich dienstlich, daß mir von keiner Seite irgendein Wort zugetragen worden ist, weder
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 154. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_6_(1912).djvu/158&oldid=- (Version vom 2.2.2024)