Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6 | |
|
im Anfange meiner Erklärungen immer durch solche Zwischenbemerkungen des Herrn Landrichters Kriener unterbrochen werde. Es muß mir doch gestattet sein, mich zu verteidigen. Solche Zwischenbemerkungen deuten eben für mich auf eine Befangenheit des Gerichts hin. – Vors. (verweisend): Wir hören mit unerschütterlicher Geduld zu und lassen Ihnen den weitesten Spielraum, und Sie wagen hier, so etwas zu behaupten! – Angeklagter: Die Öffentlichkeit ist anderer Ansicht! Wenn ich auch Angeklagter bin, so muß ich mich dagegen wehren, daß immer nur Landrichter Kriener solche Bemerkungen macht! – Beisitzer Landrichter Kriener: Ich habe nur gesagt, das ist doch Plädoyer und man kommt doch nicht weiter, wenn fortwährend Wiederholungen gemacht werden. – Angeklagter: Ich habe doch auch Augen zu sehen. Ich sehe die Mienen des Herrn Landrichters und weiß, welche Gedanken er damit bekunden will. Ich weiß nicht, wie der Herr das auf seinen Amtseid nehmen will. Der Herr Staatsanwalt macht sich sofort Notizen und denkt: „Aha! Schloß Gracht hat er dem Zeugen vorgeredet“! Über das Verhalten des Landrichters Kriener lassen sich Bände schreiben und das werde ich tun, wenn ich in Freiheit bin! – Staatsanw.-Rat Porzelt: Ich beantrage, den Angeklagten in eine Ungebührstrafe von drei Tagen Haft zu nehmen, die er allerdings zurzeit nicht wird verbüßen können. – Verteidiger R.-A. Dr. Alsberg: Der Angeklagte geht ganz gewiß viel zu weit, aber er hat doch nach der Strafprozeßordnung das Recht, Erklärungen zur Sache abzugeben und sich in jedem einzelnen Falle zu verteidigen. Er kann doch nicht am Schlusse der Verhandlung eine mehrstündige Rede halten und dann erst alle Belastungsmomente widerlegen. – Angeklagter: Ich will mein Recht haben! – Der Gerichtshof behielt sich eine Beschlußfassung vor. – Es sollte alsdann der Anklagefall behandelt werden, in welchem der Angeklagte von Frau Risch ein Reitpferd gekauft und dabei angeblich falsche Vorspiegelungen
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 200. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_6_(1912).djvu/204&oldid=- (Version vom 23.12.2022)