Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6 | |
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geisteskrank gewesen und wunderbarerweise erst jetzt geisteskrank geworden. – Der Vorsitzende gab dem Angeklagten anheim, diese Ausführungen am Schluß der Beweisaufnahme zu machen. – Bei den weiteren Fällen handelte es sich um Einkäufe, die der Angeklagte bei verschiedenen großen Firmen gemacht hat. Es ergab sich fast überall derselbe Vorgang: Der Angeklagte machte zunächst einige Einkäufe gegen Barzahlung, erhielt dann Kredit und blieb mit einer größeren oder kleineren Summe in Rest. So entnahm er bei der Firma Demuth, Unter den Linden, mehrere elegante Waren und blieb 134 Mark schuldig. Bei der Firma J. H. Werner und Louis Werner hat er Goldsachen gekauft, bei der Firma Gerold Zigaretten. Der Angeklagte bemerkte, daß er ein starker Zigarettenraucher sei und monatlich 2000 bis 2500 Zigaretten rauche. Zu einem ferneren Anklagefall, in welchem der Angeklagte bei der Firma Braun, Unter den Linden und in demselben Geschäft in Wien für sich und seine Frau Sachen entnommen hatte, erklärte der Angeklagte, daß der Inhaber das Geschäfts in keiner Weise durch falsche Vorspielungen getäuscht worden sei. Er habe in dem Geschäft überhaupt mehr Ware gewissermaßen aufgedrängt erhalten, als er ursprünglich kaufen wollte. „Wenn man zu Braun kommt, dann ist das immer ein Kampf, wieder herauszukommen, so halten einen die Leute dort fest!“ Er habe schließlich einen Vergleich mit 80 Proz. mit der Firma abgeschlossen. Da der Angeklagte sich auch auf seine Gattin berief, so erklärte diese, nochmals vorgerufen: Es stimmt ganz genau, was mein Mann bezüglich der Wiener Filiale von Singer gesagt hat. Der schuldig gebliebene Betrag kann doch gar nicht in Betracht kommen, weil ich hoffentlich gut genug für solche Summen bin. Ich bin doch die Frau meines Mannes und die Leute wissen, daß, wenn er nicht zahlt, ich es zahle. Es ist auch richtig, daß man in dem Wiener Geschäft nicht so leicht wieder herauskommt. Da heißt es dann: Nein, Frau Gräfin, Sie müssen
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 213. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_6_(1912).djvu/217&oldid=- (Version vom 25.12.2022)