Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6 | |
|
besseres Wissen erhoben! Ebenso ist es mit dem zweiten Punkt: der Ablehnung des ganzen Gerichts wegen Befangenheit, die sich darin geäußert haben soll, daß ein Antrag, Frau Wertheim in Meran durch einen Gerichtsarzt untersuchen zu lassen, abgelehnt worden ist, und daß den Verteidigern in einem Gespräch mit dem Vorsitzenden dies vorausgesagt worden ist. Derartige Besprechungen, bei denen der Beamte auch einmal aus sich herausgeht, sind selbstverständlich vertraulicher Natur, und wenn dann solche Äußerung zum Ablehnungsantrag verwertet wird, so richtet sich das von selbst. Ebenso war die Frage des einen Beisitzers nach dem Verhältnis, in dem Justizrat Meschelsohn zur Firma A. Wertheim stehe, durchaus kein Beweis von Befangenheit. Dieser gänzlich unbegründete Ablehnungsantrag läßt nur die Schlußfolgerung zu, daß der Angeklagte seiner Schuld sich bewußt sei. Der Antrag ist von A bis Z unbegründet. Das mußten sich die Verteidiger als Juristen sagen, und wenn dann trotzdem ein solcher Antrag plötzlich in die Verhandlung hineinschneit, so müssen sich die Verteidiger sagen, daß er auf Juristen keinen Eindruck machen kann. Ferner erscheint es als ein geschickter aber verwerflicher Theatercoup, daß von dem Angeklagten versucht wurde, die Sache Metternich zu einem Fall Wertheim zu machen. Er hat gewußt, daß Frau Wertheim die bestgehaßte Frau in Berlin W. ist. Er wußte, daß, wenn er den Spieß umdreht und diese Frau an den Pranger stellt, er damit die Aufmerksamkeit ablenkt und ein Streit beginnt unter dem Schlachtruf: Hie Wolff-Metternich, hie Wolff Wertheim! Das Hineinziehen der Interna aus dem Wertheimschen Haus in diese Hauptverhandlung ist vollständig ungerechtfertigt, denn von den zur Anklage stehenden Betrugshandlungen des Angeklagten fallen nur ganz wenige in die Ära Wertheim. Der Fall Wertheim muß für jeden Menschen, der die Sache übersieht, von vornherein ausscheiden. Wenn die Verteidigung auf anderem Standpunkt steht, so
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 242. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_6_(1912).djvu/246&oldid=- (Version vom 28.12.2022)