Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6 | |
|
ausgegangen sein. Wenn man mit gleichem Maße mißt, so muß man sagen, daß nicht die Verteidigung, sondern gerade die Staatsanwaltschaft es ist, die in Privatverhältnisse hineingeleuchtet und sie aufgedeckt hat. Alles, was der Staatsanwalt über mein Verhalten in Sachen Gustke ausgeführt hat, trifft nicht zu, ist entstellt oder verdreht wiedergegeben. Ich kann nur dem Staatsanwalt mit seinen eigenen Worten sagen: Entweder hat der Staatsanwalt alles dies nicht verstanden oder er behauptet es wider besseres Wissen. Fast muß ich das letztere annehmen. Diese ganze Angelegenheit ist doch bis in das kleinste Detail vollständig aufgeklärt. Und wenn trotzdem der Staatsanwalt auf seinem früheren Standpunkt verbleibt und es nicht für loyal hält, mit Bedauern zu revozieren, so ist darüber nicht mehr zu diskutieren; der Staatsanwalt klammert sich daran bis zum letzten Moment. Das zeigt, wie schwach und haltlos die ganze Anklage ist. Auch der wiederholte Vorwurf, daß ich selbst Zeugen ermittelt habe, ist ganz ungerechtfertigt. Uns steht der Ermittelungsapparat des Staatsanwalts nicht zu Gebote, der selbst Auskünfte von dem peruanischen Generalkonsul einzieht. Wir aber müssen selbst Kriminalpolizei spielen. Wenn ich in diesem Falle nicht Detektivs benutzte, so habe ich dies aus ganz bestimmten Gründen getan. Daraus kann mir nicht der geringste Vorwurf gemacht werden. Ich würde, wenn sich in anderen Fällen dieselbe Notwendigkeit ergäbe, immer wieder dasselbe tun. Ich behaupte, die persönlichen Angriffe des Staatsanwalts gegen den Angeklagten und die Verteidigung lassen sich nur erklären aus dem Gefühl, daß die Anklage auf ganz schwachen Füßen steht. Auch der Antrag des Staatsanwalts überrascht mich nicht, denn der Staatsanwalt hat ja schon ganz im Anfange der Verhandlung den Angeklagten als einen „Betrüger“ bezeichnet und ihn damit schon als einen verurteilten Betrüger hingestellt. – Der Vorsitzende unterbrach hier und stellte fest, daß die betreffende, vielleicht nicht ganz geschickte Bemerkung doch
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 251. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_6_(1912).djvu/255&oldid=- (Version vom 30.12.2022)