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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6

Anbeter hatte. Daß bei allen Festlichkeiten der Bürgermeisterstochter von den Söhnen der besseren Bürgerschaft der Hof gemacht wurde, war selbstverständlich. Die träumerischen Augen des entzückend schönen, dunkelblonden, mittelgroßen, körperlich sehr entwickelten Mädchens ließen es nicht ahnen, daß diese junge Dame eine geradezu grausame Verbrecherin werden könnte, die ihr jugendliches Leben auf dem Schafott beenden werde. Sie hatte in sehr jungen Jahren intimen Verkehr mit ihren zahlreichen Verehrern unterhalten. Eine ganz besondere Zuneigung schien sie zu dem Handlungsgehilfen Hans Merker gehabt zu haben. Um die Folgen dieses Verkehrs zu beseitigen, hatte sie sich wiederholt gegen die Bestimmungen des § 218 des StGB. vergangen. Inzwischen hatte sie in Chemnitz einen hübschen, äußerst stattlichen Mann von vierunddreißig Jahren, den Oberingenieur Kurt Preßler, kennen gelernt. Preßler war verheiratet, lebte aber von seiner Frau getrennt. Er betrieb die Scheidungsklage. Die schöne Bürgermeisterstochter, die er in Chemnitz auf einer Festlichkeit kennen gelernt, hatte es ihm angetan. Er näherte sich ihr und erklärte: Er sei bereit, sich mit ihr zu verloben. Sobald er von seiner Frau geschieden sein werde – das dürfte in wenigen Monaten bestimmt der Fall sein – werde er sie heiraten. Grete Beier erklärte sich damit einverstanden, zumal sie in Erfahrung gebracht hatte, daß Preßler ein großes Vermögen besitze. Die Liebe zu Preßler schien aber nicht groß gewesen zu sein, denn während ihrer Verlobungszeit stand sie mit Merker fortgesetzt in intimstem Verkehr. Sie brachte viele Nächte bei ihm zu. Gleichzeitig versicherte sie ihren Bräutigam Preßler, daß er allein ihr Herz besitze. Am 13. Mai 1907 kam Grete Beier zu ihrem Bräutigam Preßler, der in Chemnitz bereits eine Wohnung gemietet hatte, um seine angebetete Braut heimführen zu können, aufs Zimmer. Preßler lag gerade auf der Chaiselongue und war in heiterster Laune. Er freute sich, als er das anmutige

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 280. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_6_(1912).djvu/284&oldid=- (Version vom 1.8.2018)