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Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 6 (1912).djvu/307

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6

Revolver und Cyankali hatten Sie bei sich? – Angekl.: Ja. In Chemnitz holte mich Preßler von der Bahn ab. Er hatte Kaffeegebäck gekauft, wir gingen sofort zu ihm, und er bat mich, Kaffee zu kochen. Während dessen holte er Sahne‚ da er wußte, daß ich sie gern aß. Dann tranken wir gemeinschaftlich Kaffee. In den Kaffee konnte ich das Gift nicht tun, da ich ihn auch trank. Preßler war sehr zärtlich, nach dem Kaffee lud er mich zu einem Gläschen Eierkognak ein. Ich lehnte ab, worauf er sagte, ich solle ihm dann wenigstens ein Glas einschenken. Ich tat dies und ließ schnell das Gift hineinfallen. Dann rührte ich mit dem Löffel mehrere Male herum und hätte beinahe in der Erregung den Löffel an meine Lippen geführt. Ich besann mich aber noch rechtzeitig. Preßler saß währenddem abseits auf der Chaiselongue. Ich trat vor ihn hin, er wurde zudringlich und suchte mich auf den Schoß zu ziehen, wobei er sagte: „Da wir doch bald heiraten, könnten wir doch einmal glücklich sein!“ Er war sehr leidenschaftlich, und seine Gesichtszüge waren derart verzerrt, daß mich Ekel und Abscheu ergriff. Meiner Sinne nicht ganz mächtig, reichte ich ihm den Kognak und sagte: „Hier, trink!“ Er nahm das Glas und trank es auf einen Zug aus. Kaum hatte er es aus der Hand gesetzt, als er auch schon umsank. Was nun geschah, habe ich nur noch dunkel in der Erinnerung. Alles folgende tat ich nur rein mechanisch. Ich glaubte nicht, daß Preßler tot war, ich dachte, er könnte wieder zu sich kommen und würde dann furchtbare Schmerzen haben. Da nahm ich eine Serviette, band sie ihm um den Kopf – weshalb, weiß ich nicht, denn seine Augen waren geschlossen –. Ich hielt den Revolver ihm weit in den offenstehenden Mund hinein und drückte ab. Dann legte ich das Testament aus dem Schreibtisch heraus, die zwei Veronibriefe daneben und schlich davon. Um sieben Uhr kam ich in Freiberg an und begab mich in eine Gesellschaft, wo es allerdings sehr lustig zuging. – Vors.:

Empfohlene Zitierweise:
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 303. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_6_(1912).djvu/307&oldid=- (Version vom 1.8.2018)