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Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 6 (1912).djvu/311

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6

aber ich habe gehört, daß sie ein Engel voller Liebe und Güte ist. Du hast geglaubt, ich bin so dumm und bleibe immer in Italien. Aber ich habe Dich von Anfang an beobachtet und nur jetzt auf die Hochzeit gewartet. Deine ‚Ehegattin‘ Leonore Preßler geb. Veroni.“ – Vors.: Dieser Brief ist doch geradezu etwas Unerhörtes. Um einen Selbstmord glaubhaft zu machen, legten Sie diesen Schwindelbrief auf den Schreibtisch des Mannes, den Sie wenige Minuten vorher erschossen hatten. Können Sie irgend etwas dazu angeben? – Die Angeklagte schwieg. – Der zweite Veroni-Brief, den Grete Beier an sich selbst adressierte und nach der Ermordung Preßlers in Chemnitz zur Post gegeben hatte, lautete: „Sehr geehrtes Fräulein! Als rechtmäßige Gattin Preßlers fühle ich mich verpflichtet, Ihnen die volle Wahrheit zu schildern, da ich der elenden Schurkerei endlich ein Ziel setzen will. Ich war die Tochter eines kleinen italienischen Staatsbeamten. Meine Mutter war eine Deutsche und wohnte in Riva am schönen Gardasee, wo sie sich mit meiner bildhübschen Schwester aufhielt. Dort lernten wir Preßler kennen. Er ging meiner Schwester nach und knüpfte Beziehungen mit ihr an, die nicht ohne Folgen blieben. Da Preßler meine Schwester von sich stieß, nahm sie sich das so zu Herzen, daß sie an einem Morgen mit durchschossenem Munde und Kopfe am Ufer des Sees gefunden wurde. Nur ich wußte, was vorgegangen war, nur ich kannte den erbärmlichen Kerl. Lediglich das Gefühl der Rache beseelte mich. Nachdem ich die Zustimmung meiner Eltern erlangt hatte, gelang es mir, Preßler durch Drohungen zur Heirat zu bewegen. Er wurde mir nach katholischem Ritus angetraut, d. h. die Ehe wurde unlöslich geschlossen. Ich hatte niemals Gemeinschaft mit ihm, er sollte nur an mich gebunden sein. Er schickte mir alljährlich Geld, wofür ich ihm das Versprechen geben mußte, nicht nach Chemnitz zu kommen. Ich besorgte mir aber einen Detektiv, der ihn beobachtete. Mein „Gatte“ lebt in Chemnitz

Empfohlene Zitierweise:
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 307. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_6_(1912).djvu/311&oldid=- (Version vom 31.7.2018)