Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 6 (1912).djvu/63

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6

ein Uhr, nach Magdeburg und holte Knitelius, der erst acht Uhr abends ankam, vom Bahnhof ab. Wir mieteten uns hier eine Wohnung und besuchten verschiedene Lokale. Am Sonntag waren wir im „Café Hohenzollern“; wir kauften uns bei Loeser & Wolff Zigarren. Nachmittags versuchten wir in eine Drogerie in der Wilhelmstraße einzubrechen; es gelang uns aber nicht. Wir gingen weiter. Als wir am Breiten Weg an der Hirsch-Apotheke vorüberkamen, beschlossen wir, in diese einzubrechen. Dies gelang uns sehr schnell, da Knitelius gute Einbruchswerkzeuge hatte. Wir suchten in mehreren Kästen nach Geld, schließlich hörten wir schließen und sahen uns einem Herrn gegenüber. Dieser sagte guten Abend. Ich erwiderte den Gruß. In demselben Augenblick krachte ein Schuß. – Vors.: Knitelius hatte den Mann geschossen? – Nitter (nach einigem Zögern): Ja. – Vors.: Weshalb haben Sie bis jetzt die Unwahrheit gesagt? – Nitter: Ich befand mich zwischen Baum und Borke. Ich befürchtete einmal die Rache des Knitelius und wurde auch von seinen Blicken hier im Saale fortwährend beeinflußt. Anderseits bedrückte mich mein Gewissen. Ich halte es für meine moralische Pflicht, jetzt die Wahrheit zu sagen, da es sich um einen Mord handelt. Ich bin der Meinung, ein Mensch, der einen Mann, dem er sein Eigentum rauben will, mordet, gehört nicht in die Freiheit. Ich habe schon einmal gesagt, ich habe den Schuß nicht gebilligt. – Vors.: Sie hätten nicht geschossen? – Nitter: Niemals. – Vors.: Sie haben also jetzt die volle Wahrheit gesagt? – Nitter (heftig weinend): Ja, jetzt habe ich die volle Wahrheit gesagt. – Vors.: Wollten Sie in der Apotheke Geld stehlen oder ein Betäubungsmittel rauben? – Zeuge: Wir wollten Geld stehlen. – Vors.: Nun Angeklagter Knitelius, was sagen Sie dazu? – Der Angeklagte saß wie versteinert da; er wurde aschfahl im Gesicht und schwieg. – Vors.: Angeklagter, ich frage Sie nochmals, was sagen Sie zu diesem

Empfohlene Zitierweise:
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 59. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_6_(1912).djvu/63&oldid=- (Version vom 9.12.2022)