Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6 Ein Kunstprozeß vor dem Breslauer Schöffengericht. Böcklin–Muther | |
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Parteien war nur der Privatangeklagte, Professor Dr. Muther, erschienen. Vor Beginn der Verhandlung stellte der Vorsitzende an Professor Muther die Frage, ob eine Einigung möglich sei. Prof. Dr. Muther: Es käme auf die Modalitäten an, ich glaube aber nicht an die Möglichkeit einer Einigung, denn ich könnte eine Erklärung, wie sie Carlo Böcklin von mir gefordert hat, niemals abgeben. – Vors.: Sie halten an Ihrer früheren Erklärung fest? – Prof. Dr. Muther: Ich möchte eine solche Erklärung auch heute nicht mehr abgeben. – R.-A. Dr. Jaffé: Ich habe kein Interesse an der Einigung, nach der soeben abgegebenen Erklärung des Herrn Privatangeklagten halte ich aber eine Einigung für aussichtslos. – Es wurde darauf in die Verhandlung eingetreten. – Prof. Dr. Muther äußerte auf Befragen des Vorsitzenden: Ich habe zurzeit in Gesellschaft mit Dr. Haberfeldt und einigen italienischen Künstlern die Venetianische Kunstausstellung besucht. Am ersten Tage meines Besuches standen die Böcklinschen Bilder noch an der Wand. Am folgenden Tage waren sie aufgehangen. Die Bilder zeigten schon von weitem das Monogramm „A. B.“ mit auffallend großen Lettern. Das Ganze machte einen solch marktschreierischen Eindruck, daß ich sofort sagte: Eine solche marktschreierische Art war niemals eine Gepflogenheit Arnold Böcklins. Ich sah mir die Bilder an und fand sie für so schlecht, daß ich sofort äußerte, es ist unmöglich, daß die Bilder von der Hand Arnold Böcklins seien. Ich habe dieser meiner Überzeugung auch sogleich Ausdruck gegeben und es für meine Pflicht gehalten, dies zu veröffentlichen. – Vors.: Sie hatten einmal die Erklärung abgegeben, daß Sie die Bilder für echt halten, weshalb ist trotzdem die Einigung nicht zustande gekommen? – Prof. Dr. Muther: Nachdem Carlo Böcklin mir auf Ehrenwort versichert hatte, daß die Bilder von der Hand seines Vaters gemalt seien, habe ich erklärt: Da ich Carlo Böcklin für einen Gentleman halte, so will ich ihm das glauben. Carlo Böcklin
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 75. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_6_(1912).djvu/79&oldid=- (Version vom 1.8.2018)