Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 7 (1912).djvu/133

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 7

und von Knappstädt (Beisitzende) und Bezirksgerichtsrat Weiske als Ersatzrichter. Die Staatsanwaltschaft vertrat Staatsanwalt Hoffmann. Die Verteidigung führten Rechtsanwalt Freytag I (Leipzig) für Liebknecht und Hepner und Rechtsanwalt Freytag II (Plauen) für Bebel. Die Geschworenenbank bildeten Rittergutsbesitzer Winning aus Mölbis, Kommunegutspächter Kunze aus Grausnig, Oberförster Borner aus Seidewitz, Kaufmann Edmund Oskar Göhring aus Leipzig, Gutsbesitzer Hoffmann aus Naunhof, Kaufmann G. Jakob Harder aus Leipzig, Rittergutspächter Steiger aus Schweta, Kaufmann Karl Heinrich Benzien aus Leipzig, Kaufmann und Ratsmann August Koch aus Lausigk, Kaufmann Reinhard Steckner aus Pegau und Kaufmann Karl Gustav Platzer aus Leipzig. Nach Feststellung der Personalien Liebknechts wurde sofort ein langes Aktenstück der Gießener Polizei verlesen, das mit den Worten begann: „Liebknecht soll in seiner Jugend ein Trauerspiel geschrieben haben, das aber nicht aufgeführt wurde.“ Alsdann wurde die politische Tätigkeit Liebknechts, wonach er an allen möglichen Verschwörungen teilgenommen habe, in ausführlicher Weise geschildert. Das Aktenstück schloß mit den Worten: „In Berlin und in Sachsen wird man von der politischen Tätigkeit Liebknechts mehr Kenntnis haben als hier, da er bereits seit 22 Jahren aus Gießen fort ist.“ Darauf nahm das Wort Angeklagter Liebknecht: Das soeben verlesene Opus der Gießener Polizei versetzt mich in die Notwendigkeit, wenigstens in den Grundzügen ein wahres Bild meines Lebens zu entwerfen, gegenüber diesem Zerrbild. Das Aktenstück ist ein kurioses Beispiel davon, wie die Tatsachen sich in einem Polizeihirn spiegeln und vollkommen entstellt zurückgeworfen werden. Die absolute Unfähigkeit des Verfassers, die Wahrheit zu erkennen, die Dinge so zu sehen und zu schildern wie sie sind, geht schon zur Genüge aus der Behauptung hervor, die von ihm so freundlich gemachten Aufschlüsse über alle möglichen Verschwörungen im allgemeinen und

Empfohlene Zitierweise:
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 7. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 129. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_7_(1912).djvu/133&oldid=- (Version vom 13.3.2023)