Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 7 (1912).djvu/143

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 7

bestritten die Angeklagten, daß sie mit Gewalt, bezw. durch revolutionären Umsturz den sozialdemokratischen Volksstaat haben herbeiführen wollen. – Vors.: Sie sind beschuldigt, durch Druckschriften auf das Militär ein- und auf dessen Abfall vom Fahneneide hingewirkt und den Versuch unternommen zu haben, die Landbevölkerung zum Anschluß an Ihre Parteibewegung heranzuziehen. – Liebknecht: Die Landbevölkerung haben wir allerdings für unsere Prinzipien gewinnen wollen. Wir haben deshalb unsere Agitation nicht auf die städtischen Arbeiter beschränkt. Die Agitation ist aber gesetzlich erlaubt und wir haben uns daher nur gesetzlicher Mittel bedient. Unter dem Militär haben wir in keiner Weise agitiert und zwar aus dem einfachen Grunde, weil eine Agitation sinnlos gewesen wäre. In der Voruntersuchung ist uns zwar ein in Brandenburg gefundener Militärkatechismus vorgehalten worden, den wir unter den Soldaten hätten verbreiten wollen. Allein es hat sich herausgestellt, daß das Schriftchen nur in einem Exemplar vorhanden war, von dessen Existenz wir obendrein keine Ahnung hatten. Eine Propaganda durch Schriften wie dieser „Militärkatechismus“ halte ich für einen Wahnsinn, denn bei der herrschenden Disziplin muß jeder solcher Versuch binnen 24 Stunden entdeckt werden und zur Verhaftung der Veranstalter führen. Nur Tollköpfe oder agents provocateurs können so etwas unternehmen. – Angekl. Bebel: Ich bin zwar bemüht gewesen, die Landbevölkerung in den Kreis der Parteitätigkeit hereinzuziehen, und habe zu diesem Zwecke in Versammlungen, wo Landarbeiter zugegen waren, deren Lage und Zukunft erörtert, auch im „Volksstaat“ Artikel darüber geschrieben, doch ist dies alles nicht strafrechtlich aufreizender Art gewesen. Über militärische Einrichtungen habe ich wohl in öffentlichen Versammlungen tadelnd mich ausgesprochen und auf ihre Verderbtheit für unsere Kulturinteressen hingewiesen, das ist aber ein mir nach dem Vereinsgesetze zustehendes Recht; auch ist keiner

Empfohlene Zitierweise:
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 7. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 139. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_7_(1912).djvu/143&oldid=- (Version vom 14.3.2023)