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Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 7 (1912).djvu/250

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 7

gewinnen. Dadurch werden die Verschleppten zu höheren Einsätzen verleitet, und nach kaum einer halben Stunde ist zumeist die ganze Barschaft Eigentum der Falschspieler. Der „olle ehrliche Seemann“, einer der Hauptangeklagten in dem großen hannoverschen Spielerprozeß (Oktober 1893; siehe I. Band) durchzog mit einer Roulette alle größeren Städte Europas. Er hatte selbst aus den höchsten Kreisen einen ungeheuren Zulauf; insbesondere, so versicherte Seemann in der erwähnten Strafkammerverhandlung, gehörten junge Offiziere zu seinen Kunden. Diese sollen ihm auch, wie Samuel Seemann allen Ernstes beteuerte, die Bezeichnung

der olle ehrliche Seemann

beigelegt haben. Seitdem Seemann das in öffentlicher Gerichtssitzung mitgeteilt hatte, ist dieser Spitzname eine allgemeine Bezeichnung für Falschspieler und Gauner aller Art geworden. Samuel Seemann hatte selbst unter dem hohen Adel seine Helfershelfer. Er wohnte selbstverständlich in den feinsten Hotels. Wenn er nach Hannover kam, da hatte der Husarenrittmeister a. D. Freiherr v. Meyerinck schon vorher im feinsten Hotel die erforderlichen Zimmer bestellt. Ein Offizier eines feudalen Kavallerieregiments von hohem Adel bekundete in Hannover als Zeuge: „Ich sagte mir, ob ich nach Monako gehe oder zu Seemannn, das bleibt sich im Grunde genommen ziemlich gleich.“ Obwohl Seemann mit gezeichneten Karten spielte und sein Roulettespiel auf offenbarem Betrug beruhte, sollen die Offiziere in Scharen zu ihm gekommen sein. Der letzte Prozeß gegen den Rumänen Buis und den Grafen Gisbert von Wolff-Metternich, der im März 1912 die erste Strafkammer des Landgerichts Berlin I, unter dem Vorsitz des Landgerichtsdirektors Schmidt, beschäftigte, hat den Beweis geliefert, daß noch immer gemeingefährliche Falschspieler die europäischen Lande, insbesondere Weltbadeorte und Weltstädte durchziehen und es durch Beilegung hochadliger Namen verstehen,

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 7. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 246. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_7_(1912).djvu/250&oldid=- (Version vom 13.8.2024)