Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 7 | |
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Nachdem am 10. Mai 1871 Deutschland und Frankreich Frieden geschlossen hatten, lag erklärlicherweise noch viele Jahre nachher eine gewisse Spannung in der Welt. Im Sommer 1875 erschien in dem damaligen „Botschafterorgan“, der „Post“, die zweifellos engste Beziehungen zur Regierung hatte, ein Leitartikel mit der Überschrift: Ist der Krieg in Sicht? Eine amtliche Berichtigung erfolgte nicht, dagegen wurde mitgeteilt: der Reichskanzler Fürst v. Bismarck habe einen kalten Wasserstrahl nach Paris gerichtet und wir leben wieder im tiefsten Frieden. Ein Berliner Witzblatt, „Die Wespen“, von Julius Stettenheim, brachte die Bemerkung: „Der Kaiser, nicht der Kayßler, erklärt den Krieg.“ Der langjährige Chefredakteur der „Post“ war nämlich Dr. Leopold Kayßler, den auch schon lange der kühle Rasen deckt. Mehrfach verfinsterten Kriegswolken den politischen Himmel. Um so größer war die Erregung, als plötzlich bekannt wurde: ein königlich preußischer Staatsbeamter, ehemaliger Hauptmann der deutschen Armee, habe die wichtigsten Einrichtungen der deutschen Armee für schnödes Geld an Frankreich, Rußland und Österreich verraten. Es wurde festgestellt, daß der gesamte Aufmarsch der deutschen Armee, bzw. Eisenbahntransport nach der Westgrenze bei Ausbruch eines Krieges, die Art der Mobilmachung der deutschen Armee, die Befestigung von Metz, die neuen Gewehrkonstruktionen, die Brückenschlagungen im Kriege, die Truppenverpflegung im Kriege und eine ganze Anzahl anderer militärischer Dinge an fremde
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 7. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 1. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_7_(1912).djvu/5&oldid=- (Version vom 14.3.2023)