Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 7 | |
|
für die Feldtelegraphie, direkt oder indirekt an eine fremde Regierung übermittelt hat. Subjektiv macht die Reichsanwaltschaft geltend: es sei nicht denkbar, daß Kraszewski aus bloßer Gutmütigkeit, um seinen Freund Zaleski zu unterstützen, die Mitteilungen gekauft hat, und ferner werden die hohen Preise, die dafür gezahlt sind, gegen Kraszewski geltend gemacht. Man muß zunächst die eigenartige Natur der Polen in Betracht ziehen. Die Polen scheuen bekanntlich kein Opfer in Angelegenheiten der gegenseitigen Unterstützung. Aber auch das hohe Honorar ist kein Beweis, daß die Arbeiten einer fremden Regierung mitgeteilt worden sind. Wir dürfen hierbei nicht deutsche Verhältnisse in Betracht ziehen. Die deutschen Redaktionen sind bekanntlich im allgemeinen nicht so gentil als die französischen. Es wird in Zweifel gezogen, daß der Angeklagte Kraszewski bloß der Abschreiber gewesen ist. Die Herren Sachverständigen haben bekundet: Die auf die Arbeit bezüglich des Truppenaufmarsches gemachten Monita müssen von einem Manne gemacht worden sein, der genaue militärische Kenntnisse besitzt. Es ist ja kein Beweis darüber erhoben worden, ich kann jedoch die Versicherung geben, daß mein Klient von militärischen Dingen absolut nichts versteht. Die Art seiner Ausdrucksweise: „man verlangt das und das zu wissen,“ erklärt sich aus dem Umstande, daß der Angeklagte der deutschen Sprache nur sehr unvollständig mächtig ist. Der Umstand, daß der Brief an Adler von Florenz aus nicht unterschrieben war, kann doch auch nicht zu der Annahme führen, Kraszewski war sich der Strafbarkeit seiner Handlung bewußt. Aber auch die hohe Summe, die Kraszewski dem Adler für die Herausgabe seiner Briefe gezahlt hat, spricht nicht für sein Schuldbewußtsein. Ist es nicht erklärlich, daß ein Mann von der Stellung Kraszewskis, der wie der Herr Reichsanwalt selbst hervorgehoben, im höchsten Ansehen bei seiner Nation stand, der, ich darf es sagen, ohne indiskret zu sein, der Freund gekrönter Häupter
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 7. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 51. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_7_(1912).djvu/55&oldid=- (Version vom 26.3.2023)