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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 8

einem mittelalterlichen Verlies, schlafen, in dem an Ratten und Mäusen, Wanzen, Flöhen und Läusen kein Mangel gewesen sein soll. Der Angeklagte legte selbstverständlich sofort Appellation ein, wie es damals hieß, und ersuchte den berühmtesten Strafrechtsverteidiger Berlins, Rechtsanwalt Holthoff, die Verteidigung neben Justizrat Primker zu übernehmen. – Am 3. Juli 1879 gelangte die Sache vor dem ersten Strafsenat des Kammergerichts zur nochmaligen Verhandlung. Den Gerichtshof bildeten Kammergerichtsrat Klingner (Vorsitzender) und die Kammergerichtsräte Schröder, Kramer, Veltmann und Kreisgerichtsrat Pihatzeck (Beisitzende). Die Staatsantwaltschaft vertrat Staatsanwalt Dr. Feige. Die Verteidigung führten Justizrat Primker und Rechtsanwalt Holthoff. Der Angeklagte, der einen sehr vornehmen Eindruck machte, kam in einer hocheleganten Equipage, in Begleitung des russischen Botschaftsrates, Exzellenz von Arapoff, vorgefahren. Der russische Staatsrat von Kumanin war ebenfalls im Auftrage des Russischen Botschafters im Gerichtssaale erschienen. Der Angeklagte gab auf Befragen des Vorsitzenden an: Ich heiße mit Vornamen Alexander, bin am 20. Oktober 1823 zu Tiflis geboren und griechisch-katholischer Konfession. In Petersburg besuchte ich die Schule. Nach Absolvierung der Schule trat ich als Junker in ein russisches Gardehusarenregiment ein, dem ich elf Jahre angehörte. Seit dem Jahre 1857 befinde ich mich auf Reisen und komme jährlich zweimal nach Berlin, woselbst ich mich stets mehrere Wochen, bisweilen Monate, aufgehalten habe. – Alsdann wurde festgestellt, daß der Angeklagte u. a. in Rußland ein Rittergut im Werte von 200000 Silberrubel besitzt. Er habe einmal auf einer Berliner Postanstalt eine bedeutend größere Summe als ihm zukam, zurückerhalten. Obwohl der Irrtum nicht hätte aufgeklärt werden können, habe der Angeklagte das ihm nicht zukommende Geld sofort zurückgegeben. Rosa Kobelt gab als Zeugin an, daß sie am 2. November 1864 geboren und evangelischer

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 8. Hermann Barsdorf, Berlin 1913, Seite 49. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_8_(1913).djvu/53&oldid=- (Version vom 1.5.2023)