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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 9

Die Ermordung des Justizrats Levy.

Die Weltgeschichte berichtet über so viele Mordtaten, daß es fast den Anschein gewinnt, als sei sie mit Blut geschrieben. Selbst die Bibel beginnt mit der Erzählung eines Brudermordes. Mit dem Fortschritt der Kultur haben zweifellos die schwersten Verbrechen, die das Strafgesetzbuch kennt, bei allen Kulturvölkern eine wesentliche Verringerung erfahren. Menschenleben werden im allgemeinen höher geschätzt als in der Vorzeit. Nur Leuten, die auf der Stufe tiefster sittlicher Verworfenheit stehen, ist das Verbrechen des Mordes zuzutrauen. Der Berichterstatter, dessen Beruf es erfordert, jahraus, jahrein in den Gerichtssälen zu verkehren, ist, wie ich schon einige Male ausgesprochen habe, selbst gegen die ärgsten Verbrechen etwas abgestumpft. Ich habe während meiner langjährigen Berufstätigkeit so vielen Mordprozessen beigewohnt, daß mich selbst die

Taten des Raubmörders Sternickel

kaum außer Fassung gebracht haben. Als jedoch am Sonntag, den 18. Oktober 1896 die Welt die Schreckenskunde durcheilte:

Justizrat Levy sei am frühen Morgen in seiner Wohnung ermordet

worden, da durchzuckte selbst den abgestumpftesten Kriminalisten ein panischer Schrecken. — Justizrat Levy war 1833 in Wollstein, Provinz Posen geboren. Er war zunächst Rechtsanwalt in Fraustadt. 1872 siedelte er nach Berlin über und wurde nach einigen Jahren Rechtsanwalt und

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 9. Hermann Barsdorf, Berlin 1913, Seite 214. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_9_(1913).djvu/218&oldid=- (Version vom 26.3.2023)