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Hugo Friedländer: Kulturhistorische Kriminal-Prozesse der letzten vierzig Jahre, Band 1

Vorwort.

Man sagt, daß das Strafrecht als Hilfsmittel der Staatsgewalt erforderlich sei und daß zugleich hierin seine Rechtfertigung liege. In der Tat zeigt die Entwicklung der Menschheit, daß, soweit die historische Forschung Klarheit darüber verbreitet hat, das Strafrecht alle Phasen der Staatsentwicklung mitgemacht hat, und ein ziemlich getreues Abbild der jeweiligen sittlichen Anschauung eines Volkes sich demjenigen bietet, der aufmerksam in diesem abgelegenen Kämmerchen des ganzen Staatsbaues Umschau hält. Es gibt aber auch keinen bedauernswerten Abweg, auf den sich die Menschheit verirrt hat, den nicht auch das Strafrecht betreten hätte. Die Prozesse gegen Hexen, die hochnotpeinlichen Verhandlungen gegen besessene Tiere stellen die äußersten Ausläufer dar. Da, wo sinnlos fanatisch aufgestachelte Wut aus religiösem Motiv Mitbürger verfolgt hat, wie wir es in China noch jüngst sahen, hat auch selten ein Gericht gefehlt, das nicht angeblich von Rechts wegen die Missetäter, die keine andere Schuld auf sich geladen hatten als diejenige, welche böse, unbegründete Voreingenommenheit ihnen andichtete, verurteilt hätte.

Ebenso schlimm wie diese durch das Strafrecht als Teil der jeweiligen sittlichen Anschauung hervorgebrachten

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Hugo Friedländer: Kulturhistorische Kriminal-Prozesse der letzten vierzig Jahre, Band 1. Continent, Berlin 1908, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Kulturhistorische_Kriminal-Prozesse-Band_1_(1908).djvu/5&oldid=- (Version vom 31.7.2018)