bis auf wenige Ausnahmen in schmachvoller Weise vom Auslande abhing. —
Obwohl sich in Amerika List’s äußere Lage immer vortheilhafter gestaltete, so ließ ihm doch der Plan eines großen deutschen Eisenbahnsystems keine Ruhe mehr und machte ihn, wie er selbst sagte, unglücklich mitten im Glück. „Mir geht’s mit meinem Vaterlande, wie den Müttern mit ihren krüppelhaften Kindern, sie lieben sie um so stärker, je krüppelhafter sie sind.“ „Im Hintergrunde aller meiner Pläne liegt Deutschland, die Rückkehr nach dort.“
Ende 1830 landete er denn wieder in Europa. Was er sich durch seinen fünfjährigen erfahrungsreichen Aufenthalt in einem jungen lebenskräftigen Staate, durch fleißige Studien der Staaten- und Völkergeschichte, sowie durch sein Nachdenken über das Verhältniß der wirthschaftlichen Thätigkeit zur politischen Macht und Größe der Völker an Kenntnissen angeeignet, das wollte er dem Vaterlande zu Nutze machen, und insbesondere sollte seine Aufgabe die Anstrebung von Eisenbahnen sein, deren erzeugende Kraft nach seiner Ueberzeugung das Mittel zu Deutschlands Machtentfaltung bilden würde.
Nachdem er sich verschiedener Geschäfte für die amerikanische Regierung in Frankreich entledigt hatte, jedoch nicht, ohne auch hier für die Einführung der Eisenbahnen eingetreten zu sein, war er fest entschlossen, für die Ausführung seiner Pläne in Deutschland thätig zu sein. Er hatte deshalb seine Familie, die noch drüben in Amerika geblieben war, nach und ließ sich zunächst in Hamburg nieder. Hier fand er aber kein Entgegenkommen für seine großen Ideen und mußte wahrnehmen, daß man einem Engländer, der ein deutsches Eisenbahnsystem für unmöglich hielt, mehr glaubte als ihm. Doch das verdroß ihn nicht. Ihm waren ja die damaligen beengten deutschen Anschauungen nicht fremd. Er überzeugte sich bald, daß von Innern Deutschlands aus nachhaltiger gewirkt werden könne und ersah sich Leipzig, den Mittelpunkt des damaligen Binnenhandels und des wissenschaftlichen Lebens, als zukünftigen Aufenthaltsort aus. Er hoffte, hier den geeigneten Wirkungskreis für seine literarische Thätigkeit und diejenigen Männer zu finden, mit denen er gemeinschaftlich für den Bau einer Eisenbahn thätig sein könnte. In dieser letzteren Hoffnung konnte er sich um so mehr bestärken, als sich in Leipzig in der That das Bedürfniß nach besseren Verkehrswegen und Mitteln dringend geltend machte und als von jeher die Leipziger Handelsherren in
Robert Krause: Friedrich List und die erste große Eisenbahn Deutschlands. Leipzig 1887, Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedrich_List_und_die_erste_grosse_Eisenbahn.djvu/12&oldid=- (Version vom 17.8.2016)