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rühmlicher Weise verstanden haben, sich in die Erfordernisse der Zeit zu finden und den Ruf Leipzigs als Hauptplatz des Binnenhandels zu wahren. — Daß ihnen aber dieser Zweck der Selbsterhaltung zunächst und am höchsten stehen mußte, darin beruht, wie wir gleich hier bemerken wollen, der Gegensatz zu List’s Bestreben, nicht nur ausschließlich örtliche Interessen zu fördern, sondern vor allem die Hebung der culturellen Verhältnisse des ganzen deutschen Vaterlandes zu bezwecken. ——

Bis Mitte des vorigen Jahrhunderts hatten die Leipziger Kramermeister und Handelsherren das der Stadt Leipzig im Jahre 1458 vom Kaiser Friedrich III. verliehene Meßprivilegium in seinem vollen Umfange mit großer Zähigkeit aufrecht zu erhalten gewußt. Aber der wachsende Verkehr bedingte mehr und mehr den Verfall der Kraft jenes Vorrechtes, nach welchem in einem Umkreise von 15 Meilen andere Orte weder einen Markt, noch eine Messe, ja nicht einmal eine Waarenniederlage halten sollten, sondern angewiesen waren, ihre Waaren von dem mit sogenanntem Stapelrechte versehenen Leipzig zu beziehen. Durften doch nicht einmal Waaren, ausgenommen Getreide, Holz, Steine und ähnliche Rohproducten durch jenen Kreis gefahren werden, ohne den Weg nach dem Stapelorte genommen zu haben. Kein Wunder also, daß sich dieser Zwang für andere aufstrebende Orte immer lästiger gestaltete und daß auch Leipzig, als die Entkräftung dieses Privilegiums Anfang dieses Jahrhunderts nicht mehr zu hindern war, seinen Handel durch neue nachhaltige Mittel außer Gefahr zu bringen und neu zu beleben suchte. Diese Mittel sah man, im Gegensatz von den bisherigen privilegirten, in der Schaffung freier Verkehrswege. Hatte man früher den ungehinderten Verkehr auf der Elbe im Interesse des Stapelrechtes hartnäckig bekämpft, so glaubte man jetzt, daß der Stadt durch die von Hamburg bezogenen Güter auf der Elbe und auf der Saale wesentlicher Vortheil erwachsen werde, ja, man beschäftigte sich sogar mit dem Gedanken einer Canalverbindung, und hier und da war auch die Rede schon von Eisenbahnen gewesen.

List fand also in Leipzig das Bedürfniß zur Schaffung neuer Verkehrswege vor, und mochte auch zunächst alles, was man hier zur Erleichterung des Verkehrs zu thun gedachte, nur im örtlichen Interesse beabsichtigt sein, so mußte er doch froh sein, in Deutschland überhaupt vorerst einen Punkt gefunden zu haben, wo er den Hebel zur Ausführung seiner Pläne einzusetzen vermochte. Wie vortrefflich er es verstand, das allgemeine Interesse

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Robert Krause: Friedrich List und die erste große Eisenbahn Deutschlands. Leipzig 1887, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedrich_List_und_die_erste_grosse_Eisenbahn.djvu/13&oldid=- (Version vom 18.8.2016)