Fabrikstadt werden wollen.[1] Die Gewerbstädte in Sachsen würden sich anschließen und die Städte Deutschlands sich mit Leipzig in Verbindung setzen. Das Einkommen und die Bevölkerung würden sich in kurzer Zeit verdoppeln. Die Bewohner der Residenzstadt Dresden werden an den Folgen dieser Eisenbahnverbindung verspüren, daß Leipzigs Vortheil auch der ihrige sei. Man werde sich wechselseitig besser kennen lernen, sich mehr dienen und nützen, sich zu gemeinschaftlichen Zwecken häufiger vereinigen und einsehen, daß Städte und Individuen durch engeres Anschließen aneinander, durch Vereinigung der Kräfte und durch Austausch ihrer Producte sich gegenseitig bereichern, nicht schwächen“. — „Seitdem Deutschland besitze, was zu seiner gewerblichen Wohlfahrt unerläßlich war, nämlich Freiheit des Verkehrs im Innern durch den Zollverein, bedürfe es nur noch wohlfeiler und schneller Transportmittel, um sich auf die Stufe der gewerbfleißigsten Nationen der Erde emporzuschwingen“.
Solche begeisterte Worte waren es, die List in dem „Aufrufe“ neben einer Menge anregender Mittheilungen über den Stand der Eisenbahnen überhaupt, niedergelegt hatte.
Die schon erwähnten Jubiläumsschrift der Leipzig-Dresdner Eisenbahncompagnie geht auf den Inhalt dieses Aufrufes so gut wie gar nicht ein. Nicht einen einzigen der von List so groß und schön entwickelten Gedanken hat sie aufgenommen, das Wenige aber was sie darüber sagt, ist, allein schon dem durchschlagenden Erfolge gegenüber, den dieser gehabt hat, geradezu kläglich zu nennen.[2]
- ↑ In vollem Umfange hat sich diese Voraussage bewährt. Die Bedeutung Leipzigs als Industriestadt dürfte diejenige als Meß- und Handelsstadt bereits übertreffen, durch welchen Umstand jetzt auch namentlich der in Aussicht stehende Anschluß der industriereichen Vororte Leipzigs an die Stadt bedingt ist. D. Vers.
- ↑ Es heißt auf Ste. 8 u. 9: „„In dieser Schrift (List’s), unterschrieben „Mehrere Unterzeichnete der Petition vom 20. November 1838“, wurde das Publicum auf das Interesse an einer Eisenbahn in Sachsen hingewiesen und namentlich hervorgehoben, daß es sich nicht um die Speculation Einzelner, sondern um ein das allgemeine Wohl bezweckendes Unternehmen handele, das auch durch die Allgemeinheit getragen werden solle. Es wurden die bisherigen Fortschritte und Resultate der Eisenbahnen erwähnt und die Vortheile einer solchen zwischen Leipzig und Dresden insbesondere entwickelt, wobei sich allenthalben im Wesentlichen an die oben angegeben List’sche Schrift (nur der Titel ist angeführt) über ein sächsisches Eisenbahnsystem angelehnt wurde. Namentlich galt es hierbei, [20] bei, auch die Vorurtheile wegen Benachtheiligung einzelner Gewerbe durch die Eisenbahnen zu beseitigen. Wenn in dieser Schrift unter anderm auf die durch die Eisenbahnen zwischen Leipzig und Dresden zu verwerthenden Reichthümer der Dresdner Gegend an Steinen mit dem Bemerken hingewiesen wird, daß der Transport schon aus dem Grunde, um Leipzig mit Trottoirs zu versehen, von Interesse sei, so hat sich diese Bemerkung in der Folge als durchaus richtig erwiesen, denn schwerlich würde Leipzig ohne die Eisenbahn sobald Trottoirs erlangt haben. — List konnte damals allerdings nur den Pirnaer Sandstein im Auge haben und schwerlich daran denken, daß durch den Lausitzer Granit der Stadt die Trottoirs verschafft werden würden.““ Das ist alles, was die Jubiläumsschrift vom Jahre 1864 über List’s beide auf die erste große Verkehrsbahn Deutschlands bezüglichen Schriften zu sagen weiß! Die Hälfte davon bezieht sich auf einen nebensächlichen Gegenstand und schließt mit einer Bemerkung, nach welcher List, wenn er für die Herstellung der Leipziger Trottoirs vielleicht Pirnaischen Sandstein, statt Lausitzer Granit im Auge gehabt hat, zu entschuldigen wäre, denn er habe daran nicht denken können! —— Es bedarf aber dieser sonderbaren Entschuldigung gar nicht, denn List konnte es vorerst gleichgültig sein, woher die Trottoirplatten für Leipzig bezogen wurden, ihm mußte es vor allem gelten, auf die baldige durch die Eisenbahn herbeizuführende Befriedigung des für Leipzig dringend gewordenen Bedürfnisses von Trottoirs hinzuweisen und dadurch einen Punkt mehr für die Begründung der Nothwendigkeit des Eisenbahnbaues vorzuführen. —— Von der nationalen Bedeutung, welche List auch in diesem Aufrufe wieder mit Nachdruck betont, ist kein Wort gesagt.
Robert Krause: Friedrich List und die erste große Eisenbahn Deutschlands. Leipzig 1887, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedrich_List_und_die_erste_grosse_Eisenbahn.djvu/20&oldid=- (Version vom 18.8.2016)