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die volkswirthschaftliche Bedeutung der Eisenbahnen ins rechte Licht zu setzen und ihnen Eingang zu verschaffen.

So sehen wir Friedrich List in steter Thätigkeit für die Verwirklichung seiner wahrhaft großartigen Pläne mit einer Beharrlichkeit, und mit einer Schärfe und Spannkraft des Geistes, wie sie nur selten Jemandem gegeben sind, und man kann sich wohl denken, wie sich dieser weitschauende und unermüdlich schaffende Geist in dem engen Kreise, welchen ihm seine Zeitgenossen gezogen, gar manchmal unbehaglich gefühlt haben, wie er Anderen, die ihren Wirkungskreis nur im Engeren auf das gerade vor ihnen Liegende zu richten vermochten, in seinem Drange nach Großem rücksichtslos oder gar anmaßend erschienen sein mag. Mußte er sich doch gefallen lassen, daß man sich von ihm abwendete, wo er Entgegenkommen erwarten durfte, mußte er doch erleben, daß man seine Verdienste todtschwieg und daß man ihn sogar des Eigennutzes beschuldigt hat, als er es unternahm, Rechte für sich in Anspruch zu nehmen, die ihm heute wenigstens ohne Weiteres zugestanden werden müssen.[1]

List fand im Comité, dessen Seele er doch, wie auch die Berichte wiederum beweisen, gewesen, nicht die Anerkennung, die ihm gebührte. Sein unruhig schaffendes Wesen, seine schlagenden und wohl auch manchmal verbitterten Bemerkungen gegen ihm ängstlich und engherzig erscheinende Einwände mögen ihn den Männern des Comités entfremdet haben schon als sie seiner noch bedurften.

Mehr und mehr erkaltete das Verhältniß des Comités zu ihm, obgleich man seine fernere Hilfe noch recht gut hätte brauchen können. List hatte z. B. bezüglich der zu wählenden Baulinie vorgeschlagen, dieselbe durch die volkreichere Gegend über Meißen zu legen, weil diese Linie die ertragsfähigste sein werde. Anstatt aber seinem Rathe noch weiter zu folgen, glaubte man, sich um Rath in’s Ausland wenden zu müssen. Ein Comitémitglied begab sich in Begleitung des Ober-Wasserbauinspectors Kunz, dem nachmaligen Erbauer der Bahn, nach England und suchte nach einem im Eisenbahnsache erfahrenen

  1. [WS: Fußnote fehlt im Text] Dr. von Falkenstein z. B. fällt über List folgendes harte Urtheil: „List war gewiß ein genialer Mensch, aber ein grober und im Umgange anmaßend auftretender und eigenwilliger Herr, mit dem sich schwer auskommen ließ, zumal sich von seiner Seite Eigennutz geltend machte —“. Was den persönlichen Umgang betrifft, so mag List hier und da „unverdaulich“ erschienen sein, obwohl von ihm gesagt wird, daß er der zärtlichste Familienvater und der zuverlässigste Freund gewesen, vor dem Vorwurfe dez Eigennutzes schützt ihn aber sein ganzes geniales Wirken.
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Robert Krause: Friedrich List und die erste große Eisenbahn Deutschlands. Leipzig 1887, Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedrich_List_und_die_erste_grosse_Eisenbahn.djvu/27&oldid=- (Version vom 21.11.2018)