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mehrere dem zwölften Jahrhunderte angehörige geschichtliche Persönlichkeiten.

In den Vordergrund tritt natürlich das damalige Hofleben und bei seiner Schilderung übergeht der Dichter fast keine Seite, keine wichtigere Einzelheit desselben. Alle möglichen Episoden dieses Lebens kommen im bunten Zauberspiegel seiner Erzählung vor und gleich im Anfange tritt dem Leser eine glänzende Ritterversammlung entgegen. Der Dichter beschreibt hier eine Thronentsagungsfeierlichkeit und gleich darauf den Akt der Thronbesteigung; Gelage und Jagden füllen das reichhaltige Bild des Hoflebens aus. Dann erzählt Rustaweli die Wanderungen des eigentlichen Haupthelden seiner Dichtung, Autandil, wobei er Sitten und Gebräuche der Städtebevölkerung schildert. Mit einem Worte, das gesamte damalige Leben Georgiens ist im „Mann im Tigerfelle“ ausgemalt und selbst Schlachtenbilder fehlen nicht zur Vervollständigung dieses Zeitgemäldes. Die eigentliche Fabel der dichterischen Schöpfung Rustawelis umfasst eine lange, ziemlich weitschweifige mit anderen kleineren Geschichtchen verknüpfte Erzählung, die natürlich nicht frei ist von orientalischer Überschwänglichkeit, aber mit wahrhaft genialer Erfindungsgabe ausgearbeitet ist und etwas Grosses, Erhabenes an sich hat.

Der alte König von Arabien, Rostewan, entsagt dem Throne zu Gunsten seiner Tochter Tinatina und könnte wohl seine Tage kummerlos beschliessen, wenn er nicht eben ein sonderbarer Kauz wäre. Er bildet sich nämlich ein, dass es im ganzen Reiche keinen Ritter giebt, der ihm an Mut und Tapferkeit gleicht und dieser Gedanke bereitet ihm Kummer. Da erbietet sich einer seiner Heerführer, Autandil, ihm zu beweisen wie unbegründet seine Meinung sei und schlägt dem Könige vor eine Jagd zu veranstalten, auf welcher er ihm von seiner Tüchtigkeit und der Gewandheit, die Waffen zu gebrauchen, Zeugnis

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Arthur Leist: Georgien. Natur, Sitten und Bewohner. Verlag von Wilhelm Friedrich, Leipzig 1885, Seite 98. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Georgien._Natur,_Sitten_und_Bewohner.pdf/101&oldid=- (Version vom 1.8.2018)