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hin, entfernte sich aber bald immer mehr von derselben und klimmte die Berge hinan. Hier beginnen die wahrhaft kaukasischen Landschaftsbilder, schön durch die Mannichfaltigkeit ihrer Dekoration und imposant durch die Wildnis der steilen Berge und Felsen. Abwechselnd fahren wir an schroffen Abgründen hin, in deren Tiefe Giessbäche über zerrissenes Gestein dahinrauschen, dann wieder an dicht mit Bäumen bewachsenen Schluchten oder ungeheuren Felswänden vorbei, deren Steinkolosse uns zu begraben drohen und durch ihren Sturz hier wohl für lange Jahre den Weg versperren würden. Auf der Strasse begegnen wir langen Zügen von schweren, zweirädrigen Karren, die von Büffeln gezogen werden und mit Holz, Kohlen oder Wolle beladen sind. Auf jedem Wagen sitzt ein georgischer Bauer, der neugierig seine dunklen Feueraugen auf uns richtet und mit der grössten Geduld die Sonnenhitze sowie die Langsamkeit seiner Reise erträgt. Gewöhnlich begleitet jede dieser Karawanen ein armenischer Kaufmann, der seinen Stand sofort durch seine bessere Kleidung verrät; er spielt hier überall die Rolle des Mäklers und man sieht es ihm auch an, dass die schwere Handarbeit nicht sein Werk ist. Weiter begegnen wir einigen sonnverbrannten Bauern, die gemütlich ihres Weges reiten, als ob sie einen Spazierritt machten. Ihr Gruss, mit welchem sie uns beehren, ist höflich, ihre Verbeugung graziös und nicht ohne einen Anflug von Ritterstolz. Um auszuruhen, halten wir bei einem Duchan, einem Dorfkruge, an und sofort erscheint der Wirt, welcher uns höflich einladet zu unserer Erquickung mit seinem Weine vorlieb zu nehmen. Er bringt uns daher eine Flasche Kachetiner und einen Blumenstrauss und nachdem wir uns erquickt, leert auch er ein Glas auf unser Wohl und wünscht uns eine glückliche Reise und schönes Wetter.

Schon sind wir ziemlich hoch in den Bergen und in der Ferne thut sich uns ein immer schöneres, umfangreiches

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Arthur Leist: Georgien. Natur, Sitten und Bewohner. Verlag von Wilhelm Friedrich, Leipzig 1885, Seite 63. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Georgien._Natur,_Sitten_und_Bewohner.pdf/66&oldid=- (Version vom 1.8.2018)