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Auch erblicken wir schon das Haus unseres Freundes, welches mitten im Grün anmutiger Gärten auf einer Anhöhe steht.

Die Landhäuser in Georgien haben viel Ähnlichkeit mit den Häusern der Städte und sind wie diese stets mit Gallerieen umgeben, welche sich gewöhnlich um einige Fuss über den Erdboden erheben und deshalb von der Aussenseite mit Treppen versehen sind. Grösstenteils sind die Häuser der Landgutsbesitzer nicht sehr geräumig und ihre innere Einrichtung ist oft ziemlich bescheiden.

Wer einmal die gastliche Schwelle eines georgischen Hauses überschritten hat, wird es nur ungern verlassen, denn der Gast findet hier nicht nur freundliche Aufnahme, sondern es wird ihm auch von Seiten des Wirtes die grösste Sorgsamkeit und Pflege zu teil. Der Georgier richtet sich ganz und gar nach seinem Gaste, tritt ihm die bequemsten Räume seines Hauses ab und opfert ihm seine Zeit. Auch ist er in allem bemüht, ihm den Aufenthalt angenehm zu machen, obwohl das Landleben in Georgien noch weniger Zerstreuungen bietet als in Europa. Jagden, Spazierritte, Gastmähler und Besuche in der Nachbarschaft sind Alles, was man hier zu den Zerstreuungen rechnen kann. Wer jedoch ein Naturfreund ist, der findet hier tausend Annehmlichkeiten, die er Dank dem milden Klima fast das ganze Jahr hindurch gemessen kann. Von jedem Berge und Felsen eröffnet sich hier eine malerische Aussicht, jeder Wald und Hain besitzt eine endlose Mannichfaltigkeit, jeder Bach, jede Quelle hat der Reize zur Genüge. Ganze Tage lang kann man in diesen Thälern herumschlendern, von Berg zu Berg, von Fels zu Fels klettern, ohne Langeweile zu empfinden, denn die reiche georgische Natur giebt immerfort neue Schauspiele, ohne Unterlass enthüllt sie neue Bilder und ein neues Farbenspiel.

Im Frühlinge, wenn die Wälder und Fluren mit dichten Blütenteppichen bedeckt sind, wenn grosse Gesträucher

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Arthur Leist: Georgien. Natur, Sitten und Bewohner. Verlag von Wilhelm Friedrich, Leipzig 1885, Seite 65. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Georgien._Natur,_Sitten_und_Bewohner.pdf/68&oldid=- (Version vom 1.8.2018)