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Wanderer nur einen elenden Flecken, dessen einzige Zierde die wirklich prächtige Domkirche ist, während die zwei anderen Kirchen, welche sich gleichfalls durch ihr Alter auszeichnen, nichts Grossartiges besitzen. Ausser diesen drei Gotteshäusern besteht im heutigen Mzchet kein anderes aus der Vorzeit erhaltenes Gebäude mehr und nur zerstreute Mauerreste deuten noch die Stellen an, wo einst die Schlösser der georgischen Grossen gestanden haben. Das bescheidene und fast elende Aussehen dieser Stadt entspricht in keiner Weise der Rolle, welche sie in der Vergangenheit spielte und noch unangenehmer berührt den Wanderer ihr gegenwärtiger Zustand, wenn er die Naturschönheiten ihrer nächsten Umgebung betrachtet. Diese ist höchst malerisch, denn hier mündet in einem engen von hohen Felsen eingeschlossenen Tale die reissende Aragwa in den Kur, der gleichfalls in einem tiefen Felsenthale dahinrauscht.

In dieser romantischen Gegend lebte und wirkte die heilige Nina, deren erstes Glaubenswerk die Bekehrung des Königs Miriam war. Von hier aus verbreitete sich dann die christliche Lehre über ganz Georgien und zahlreiche Legenden, die noch heute im Munde des Volkes leben, haben diese Bekehrungsgeschichte in höchst poetische Farben gekleidet. Es ist allerdings schwer zu bestimmen, wieviel Wahrheit an diesen Überlieferungen haftet, aber da alle des Namens der heiligen Nina erwähnen, so scheint es eine Thatsache zu sein, dass sie die erste Bekehrerin der Georgier war. Vom fernen Georgien soll sie schon in Jerusalem vernommen haben und zwar von Juden, deren Verwandte in Mzchet wohnten. Von Jerusalem nach Rom gewandert, musste sie bald von hier entfliehen, um den Verfolgungen des Kaisers Diokletian zu entgehen. Sie kam nun nach Armenien, wo ihr gleichfalls von dem noch heidnischen Könige Trdat Gefahr drohte. Sie verliess also Armenien und begab sich nach Georgien, um

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Arthur Leist: Georgien. Natur, Sitten und Bewohner. Verlag von Wilhelm Friedrich, Leipzig 1885, Seite 76. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Georgien._Natur,_Sitten_und_Bewohner.pdf/79&oldid=- (Version vom 1.8.2018)