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einer Zeit, von welcher sich ziemlich sichere Nachrichten erhalten haben.

Das Grab dieser begeisterten Jungfrau befindet sich in Signach, einem Städtchen der Provinz Kachetien, in einer der ältesten Kirchen von ganz Georgien. Hier ruht sie im Schatten schöner Pappeln, an einem Orte, von wo sich eine herrliche Aussicht auf das Alasansche Thal und die Schneegipfel des Kaukasus aufthut. Auf einer Strecke von mehr als zehn Meilen zieht sich hier ein ununterbrochener grüner Garten hin, in dessen Mitte die Silberwellen des Flusses Alasan glitzern. Dieses Thal ist wohl das schönste in ganz Kachetien, was eben viel sagen will, da ganz Kachetien reich an entzückenden Landschaftsbildern ist. In einer wahrhaft paradiesischen Gegend hat sich also die Bekehrerin Georgiens ihre Grabstätte gewählt, denn auch jenseits des grünen Thales entzücken tausend Gegenstände das Auge. In nicht weiter Ferne erheben sich die Schneegipfel des Kaukasus, die teils in Wolken gehüllt sind, teils im herrlichen Sonnenscheine glänzen. Alles atmet hier Poesie und eine biblische Feierlichkeit, von der auch die gesamte mittelalterliche Geschichte Georgiens durchdrungen ist. In diesem Lande verfolgte die Kirche wirklich einen erhabenen Endzweck und die Geistlichkeit stand oft mit Opferwilligkeit für die Verteidigung des Glaubens ein, anstatt wie anderswo nach weltlicher Macht zu streben. Zwischen Kirche und Volk gab es hier keine Kluft, sondern es herrschte im Gegenteil eine fast beispiellose Eintracht, die häufige Male das von den Mahomedanern bedrohte Christentum rettete.

Allerdings war die georgische Kirche nicht immer frei von religiösem Fanatismus, aber dieser musste sich natürlicherweise aus den Umständen, die ihre Existenz so oft erschütterten, entwickeln. Am meisten bedroht war sie zu Anfang des siebzehnten Jahrhunderts, als Schach Abbas von Persien ganz Georgien mit Feuer und Schwert

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Arthur Leist: Georgien. Natur, Sitten und Bewohner. Verlag von Wilhelm Friedrich, Leipzig 1885, Seite 78. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Georgien._Natur,_Sitten_und_Bewohner.pdf/81&oldid=- (Version vom 1.8.2018)