Seite:Georgien. Natur, Sitten und Bewohner.pdf/90

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Denkmäler giebt es auch hier nicht, da die ehemalige Königsburg und alle bedeutenderen Gebäude längst in Trümmern liegen. Dem ungeachtet ist Kutais heute der eigentliche Mittelpunkt des georgischen Lebens, denn die Georgier bilden die Mehrheit seiner Bevölkerung, während sie in Tiflis in der Minderheit sind. Seine Strassen und Häuser tragen noch in Allem den georgischen Charakter und die Menschenmenge, die besonders des Abends hier herumwogt, spricht lebhaft dafür, dass Kutais noch eine georgische Stadt par excellence ist. Auch die Nationaltracht der Männer und Frauen hat sich hier noch mehr bewahrt als in Tiflis und besonders ist es das imeretinische Kostüm, welches unter den verschiedenen Trachten vorwiegt. Die kartalinische Pelzmütze vertritt hier meistens der Baschlik oder ein mit einem Gummibande an den Haaren befestigter Deckel aus Silberschnürchen. Anstatt des kurzen schwarzen Rockes sieht man hier auch kurze bis an die Hüften reichende Jacken oder lange weite Röcke, die durch einen Gürtel in Falten gelegt sind. Die Bewaffnung der Imeretiner ist gleichfalls so glänzend und prunkhaft wie die anderer Bewohner Georgiens, denn nie fehlt der lange Dolch oder Kinschal und oft stecken im Gürtel zwei Pistolen und gar noch ein kurzer Säbel. Das heisst wirklich bis an die Zähne bewaffnet sein!

Dabei ist der Typus der Imeretiner einer der schönsten in ganz Georgien und besonders zeichnen sich die Frauen durch ihre Körperreize aus. Kutais selbst ist durch die Schönheit seiner Töchter in ganz Kaukasien berühmt, hat aber auch den Ruf eine schwelgerische Stadt zu sein. Vor einigen Jahrzehnten, als in Georgien das Schlaraffenleben noch in voller Blüte stand und der heute teilweise heruntergekommene Adel in üppigen Schwelgereien sein Vermögen vergeudete, war es vor allen anderen Orten Kutais, welches Vergnügungslustige anzulocken verstand.

Was die Architektur dieser Stadt anbetrifft, so unterscheidet

Empfohlene Zitierweise:
Arthur Leist: Georgien. Natur, Sitten und Bewohner. Verlag von Wilhelm Friedrich, Leipzig 1885, Seite 87. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Georgien._Natur,_Sitten_und_Bewohner.pdf/90&oldid=- (Version vom 1.8.2018)