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Elegia.

Mkrtall nateli sawse mtwarisa,
Mschobels kwekanas seel mohpenoda.
Da tetri soli schoris mtebisa,
Lashward siwrceschi tschaintkeboda.

Auf Deutsch:

Im Schlummerlicht der blassen Vollmondstrahlen
Liegt träum’risch da mein liebes Heimatsland
Und über ihm in Himmelsfernen malen,
Die Riesengletscher ihre Silberwand.

Die Erfindung ihrer Schriftzeichen schreiben die Georgier dem Könige Farnawass zu, der der Gründer ihres Reiches war und zur Zeit Alexanders des Grossen gelebt haben soll. Diese Schrift war Zendischen Ursprungs, und um sie ihrer heidnischen Kennzeichen zu entledigen, nahm die christliche Geistlichkeit im vierten Jahrhunderte unserer Zeitrechnung eine Änderung vor, indem sie die eckige Gestalt der Schriftzeichen in eine runde umwandelte. Diese Form erschwert nicht wenig das Lesen, welches schon der zahlreichen (38) Buchstaben wegen nicht ohne Schwierigkeiten ist. Dafür ist aber wieder die Rechtschreibung sehr erleichtert, denn wer genau den Laut eines jeden Schriftzeichens kennt, wird leicht ohne Fehler georgisch schreiben. Es ist das eine grosse Vereinfachung, welche die anfänglichen Schwierigkeiten beim Lernen der Buchstaben reichlich vergütigt.

Bei einer so frühzeitigen Aneignung der Schrift und der unmittelbaren Berührung mit den damaligen Kulturvölkern Vorderasiens, musste sich natürlich auch bald in Georgien ein Schrifttum ausbilden und wahrscheinlich besassen seine Bewohner schon im heidnischen Altertume ihre geschriebenen Religionsbücher, die aber wahrscheinlich später bei Einführung des Christentums der Vernichtung preis gegeben wurden, denn es sind keine Spuren von litterarischen Erzeugnissen aus der Heidenzeit Georgiens vorhanden. Die ältesten Litteraturdenkmäler stammen schon

Empfohlene Zitierweise:
Arthur Leist: Georgien. Natur, Sitten und Bewohner. Verlag von Wilhelm Friedrich, Leipzig 1885, Seite 93. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Georgien._Natur,_Sitten_und_Bewohner.pdf/96&oldid=- (Version vom 1.8.2018)