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wenn sie alles absetzen, erhellt auch aus der im Jahre 1887 veröffentlichten sehr lesenswerten Selbstbiographie des Professors an der Münchner Kupferstecherschule Julius Thaeter. Derselbe (1804 den 7. Januar in Dresden von sehr armen Eltern geboren und 1870 den 14. November in München gestorben) verlebte eine überaus traurige Jugendzeit, aus der sich folgender Vorfall seiner Seele unvergessen einprägte. Thaeter erzählt in humorvoller Weise: „Ein Vetter von mir hatte viele große und kleine Lichterbäume und zwar auf eine ganz eigenthümliche, nette Weise gemacht. Dieselben wollte er auf dem Weihnachtsmarkte (1817) verkaufen, doch konnte er sich wegen Krankheit nicht der Kälte aussetzen; darum erbot ich mich, statt seiner die Lichterbäume auf dem Markte feil zu bieten. Es war gerade tüchtig kalt; deshalb hatte ich über meine Kleider einen weiten Rock meines Vetters angezogen, der bei mir die Stelle eines großen Mantels vertrat und meine ganze jugendliche Gestalt verbarg. An den Füßen hatte ich über den Stiefeln ungeheure Filzschuhe, die ich kaum schleppen konnte, und die mich auf dem Flecke, wo ich einmal stand, festhielten. Mein dicker Kopf steckte in einer schrecklichen Pelzmütze, die mir über das ganze Gesicht herunterfiel und das Athmen sehr erschwerte. Wer mich so sah, sah eigentlich nicht mich, sondern meinen Rock, der pflanzenartig aus der Erde gewachsen zu sein und eine Pelzmütze als Blume zu haben schien. Wenn nun jemand einen Lichterbaum von mir kaufen wollte, mußte ich erst die Arme himmelwärts strecken, damit die Rockärmel zurückfielen und ich die Hände frei hatte, um meine Physiognomie von der Pelzmütze befreien zu können. Während dieser Manipulation liefen manche Käufer fort; wenn endlich meine Augen das Tageslicht sahen und den Käufer suchten, war dieser verschwunden, und ich ließ meinen pelzartigen Vorhang wieder fallen; Viele aber, denen meine Hantirung Spaß machte, blieben stehen und kauften. So hatte ich noch vor Ende des Christmarktes meines Vetters Lichterbäume alle verkauft und bekam einen guten Rabatt"[1].

Seit der Zeit, als der junge Thaeter seine Christbäume auf dem Strietzelmarkte feilbot, hat sich an demselben vieles geändert,

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Adolf Hantzsch: Geschichte des Dresdner Christmarkts. , Dresden 1888, Seite 62. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dresdner_Christmarkts.pdf/36&oldid=- (Version vom 12.9.2022)
  1. Jul. Thaeter, Das Lebensbild eines deutschen Kupferstechers, S. 13. 14.