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zu nichts anderem erschaffen, als Gott zu dienen und seine Gebote zu halten und uns fest an unsere heilige Thora zu halten, denn »sie ist dein Leben und sie verlängert deine Tage«.

Zwar ist es keine Sünde, wenn sich der Mensch bemüht, daß er seine Frau und seine Kinder ehrlich ernährt. Seine Frau, seine Kinder und sein Hausgesinde ehrlich ernähren, heißt, zu jeder Zeit Almosen geben. Beschert ihm Gott – er sei gepriesen – dabei noch, daß er an Arme Almosen geben kann, heil ihm. Solche Mühe ist auch ein gottgefälliges Werk, denn der große himmlische Vater und einzige Gott hat es in seiner Weisheit so eingerichtet, daß ein Vater seine Kinder liebt, desgleichen die nächsten Anverwandten, einer den anderen, sonst könnte die Welt keinen Bestand haben.

Wozu soll sich’s aber ein Mensch sauer um seine Kinder werden lassen? Ein jeder Mensch könnte sich’s doch wohl sein lassen und nicht sorgen für seine Kinder und nächsten Anverwandten. Aber der große gütige Gott hat das alles nach seiner Barmherzigkeit getan, daß die Eltern ihre Kinder lieben und ihnen zurecht helfen, und daß die Kinder solches von ihren Eltern sehen und solches wieder an ihren Kindern tun.

Zum Exempel: Es ist einmal ein Vogel gewesen, der hat drei junge Vögelein gehabt und hat sich mit ihnen am Ufer des Meeres aufgehalten. Mit einem Male sieht der alte Vogel, daß ein großer Wind kommt und daß das Meer größer wird und über das Ufer kommt. So sagt er zu seinen Kindern: »Wenn wir nicht bald auf jener Seite vom Meere sind, so sind wir verloren«. Aber die jungen Vögelein haben noch nicht fliegen können, Also nimmt der Vogel das eine Vögelchen zwischen seine Füße und fliegt mit ihm über das Meer. Wie sie mitten über dem Meere sind, sagt der alte Vogel zu seinem Sohne: »Mein Kind, welche Nöte und Sorgen habe ich mit dir und wie wage ich mein Leben um deinethalben. Wenn ich nun alt sein werde, willst du mir auch Gutes tun und mich in meinem Alter ernähren?« Sagt das junge Vögelchen: »Mein herzlieb Vater, bring mich nur

Empfohlene Zitierweise:
Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_013.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)