Seite:Glueckel 039.jpg

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so ihr mir mein Hemd hübsch sauber waschen wollt.« Da spricht sie: »Herr, gar gern will ich es waschen.« Und sie nahm das Hemd, wäscht es gar sauber und spreitet es auf das Gras zum Trocknen, und der Schiffmann wartet allda auf sein Hemd und er sah ihr zu waschen und sie trocknet das Hemd und legt es gar hübsch zu. Der Schiffmann konnte mit seinem Schiff nicht an das Ufer fahren und er hielt das Schiff eine Elle weit vom Ufer. Er warf ihr die vier Groschen, in ein Papier gewickelt, hinüber. Sie nahm sie und er sprach: »Langt mir mein Hemd hierher.« Und sie brachte es und langte ihm das Hemd in das Schiff. Er ertappt sie an ihrer Hand, zieht sie in einem Zug in sein Schiff hinein und fährt stracks fort. Sie schreit eine große Schreiung aus dem Innern des Schiffes und die zwei kleinen Kinder von außen.

Es wollte aber alles nichts helfen. Sie war schon weit im Meer und man konnte sie nicht mehr schreien hören. Nun, wie die Kinder von ihrer Mutter nichts mehr hörten, noch sahen, so liefen sie zu ihrem Vater ins Gefängnis. Sie weinten bitterlich und sagten ihm alle Geschehnisse von ihrer Mutter. Als ihr Vater nun diese Reden hörte, erhebt er auch seine Stimme und weint eine große Weinung, er schreit und spricht: »Gott, mein Gott, warum verlässest du mich in solchem Elend? Ich habe ja jetzunder keinen mehr auf Erden, der mich in meinem Gefängnis ernährt.« In solchem großen Weinen und Jammer ist er eingeschlafen. Da träumt ihm ein Traum, wie da war eine große Wüstenei. Die Wüstenei war voll mit wilden Tieren und sie stunden über ihm und wollten ihn zerreißen und wollten sein Fleisch essen. Er zittert vor Furcht und Angst, und in seinem großen Elend sieht er hin und her und sieht, wie da ein großer Hirte mit Schafen und Rindern kommt. Und wie die wilden Tiere dieselben sehen, lassen sie ihn stehen und laufen dem Vieh nach. Er entlief und kam zu einem Schloß, das bei einem Wasser war. Darinnen waren viele Schiffe und er kam in das Schloß und man setzt ihn auf einen Königsstuhl und er freut sich sehr mit seinen Schiffsleuten.

Empfohlene Zitierweise:
Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 39. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_039.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)