Seite:Glueckel 086.jpg

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habe, wenn ich nur die Hälfte von meinem Leben hätte hergeben können, um damit meinem Kind zur Gesundheit zu verhelfen. Aber der einzige gerechte Gott mit seiner Barmherzigkeit hat geradezu im Augenblick so gnädiglich geholfen, daß ich nicht gewußt habe, wo es geblieben ist. Womit wir uns viele Jahre herumgeschleppt und geängstigt haben und geplagt, das hat der gerechte Gott mit einemmal von uns genommen und uns ein gesundes, frisches Kind gegeben. Wofür dem Höchsten immer und ewig gedankt sei. Der große Gott wolle es dabei halten. Seht nun, was der getreue Gott tut, wenn wir meinen, daß wir ganz hilf- und trostlos sind; dann schickt er seine Hilfe am ersten, wenn wir gar nicht daran denken. Und wenn solches auch nicht nach unseren Verdiensten sein mag, so geschieht es doch aus Barmherzigkeit von dem himmlischen Vater. Ich Sündigerin finde mich unwürdig genug, die Gnade von unserem getreuen Gott anzunehmen, daß er mir das Leben gibt und mich bis dato ehrlich gespeist hat. Ohne die anderen tausend Gnaden, die der große Gott so mildiglich gegeben. Wenn ich alle Tage auf meine Knie fiele und den barmherzigen Gott anriefe, so ist es doch nichts für das, was er uns sündigen Menschen tut. Und ob es auch zeitweise nicht nach unserem Willen geht und wir menschlichen Verdruß haben, sowohl mit Kindern als mit Fremden, so bilde ich mir ein, daß Verschuldungen auf unseren Taten liegen. Denn wir sündigen alle Tage, alle Stunden und alle Augenblick und dienen dem Höchsten nicht wie es gehörte und wie wir sollten. Dennoch tut uns Gott – er sei gepriesen – alles Gute, wofür wir ihm immer und ewiglich danken. Ich bitte den großen Beschaffer um nichts mehr als um gute Geduld, damit wir arme sündige Menschen alle unsere Zuschicksale in Liebe annehmen mögen und den großen Gott für alles loben und danken. Denn es kommt alles von dem Herrn, Gott gibt und Gott nimmt, der Herr sei zu ewig gelobt und gepriesen.

Hierbei ist eine hübsche Geschichte, um zu sehen, was einer Kaiserin geschehen ist und wie geduldig sie ihr Elend

Empfohlene Zitierweise:
Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 86. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_086.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)