Seite:Glueckel 180.jpg

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mir getrieben hat? Da nun das liebe Kind auf die Welt gekommen war, ist es zwar ein schönes, wohlgestaltes Kind gewesen, aber das Kind hat leider bald – es bleibe fern von uns – gleich mir das Fieber gehabt.

Obschon wir nun Doktores und alle menschliche Hilfe gern angewandt haben, so hat solches doch alles nicht helfen wollen. Es hat sich also vierzehn Tage in dieser Welt gequält, und danach hat es Gott – er sei gelobt – zu sich genommen und seinen Anteil wieder zu sich an seinen Ort gebracht und uns unseren betrübten lehmgeschaffenen Anteil vor uns liegen lassen und mich eine betrübte Kindbetterin ohne Kind gelassen. Ich habe noch zwei-, dreimal Anfälle von dem Fieber gehabt, aber bevor ich aus dem Kindbett gekommen bin, bin ich frisch und gesund gewesen. Danach bin ich mit meiner Tochter Hendelchen ins Kindbett gekommen. Zwei Jahre danach mit meinem Sohn Sanwel, auch mit meinem Sohn Reb Moses, mit meiner Tochter Freudchen und mit meiner Tochter Mirjam, welche beiden Jüngsten ihren Vater nicht viel gekannt haben.

Was soll ich viel schreiben, was zwischen der Zeit passiert ist. Denn alle zwei Jahre hab ich ein Kind gehabt und mich viel gequält, wie die Ordnung ist, wenn man so ein Häuschen mit Kindern beisammen – Gott behüte sie – hat. Und wir haben allezeit gedacht, daß kein Mensch schwerere Last hätte und sich mehr mit Kindern geplagt hätte als ich. Aber ich Unverständige habe nicht gewußt, wie mir so wohl gewesen ist, wenn ich meine Kinderchen um meinen Tisch sitzen gehabt hab, »wie Oelbaumsprossen um deinen Tisch herum«. Nun, was soll man tun, »meiner Sünden gedenk ich.«

Nun, meine herzlieben Kinder, da seht ihr die Geschichte eures Vaters Reb Chajim Hameln – das Andenken des Gerechten gesegnet. Wie gut und wie schön wäre es gewesen, wenn uns Gott – er sei gelobt – beisammen gelassen hätte, daß wir unsere Kinderchen hätten unter den Trauhimmel geführt. Aber was soll ich sagen und was soll ich sprechen! Meine Sünden haben das verursacht – ich Sündigerin hab

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Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 180. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_180.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)