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nach Hamburg zurückgefahren. Ich habe große Freude gehabt und gleich einen rechtschaffenen Lehrer ins Haus genommen und ihn lernen lassen.

In dieser Zeit ungefähr ist auch in Hamburg eine große Geschichte geschehen.

Es hat ein Familienvater in Altona gewohnt, der hat geheißen Abraham Metz – Gott räche sein Blut. Der hat gehabt zur Frau meine Verwandte Sara, die Tochter des Elia Cohen – er ruhe in Frieden. Derselbe hat, ehe er nach Hamburg gekommen ist, zu Herford gewohnt und hat gehabt die Tochter von Löb Herford. Zwei Jahre nach seiner Hochzeit ist ihm seine Frau gestorben. Danach ist er nach Hamburg gekommen und hat die erwähnte Sara bekommen. Er ist ein Mann von ungefähr dreitausend Reichstaler und mehr gewesen, aber er ist in Hamburg fremd gewesen, hat Landesmanier und den Handel nicht gekannt und ist in seinen Verhältnissen zurückgegangen, so daß er in einigen Jahren fast um das Seinige gekommen ist. Er hat in Altona gewohnt und als ein Wechsler agiert. Einmal am Morgen kommt seine Frau in die Stadt zu gehen und fragt in all ihrer Freunde Häuser, ob ihr Mann nicht über Nacht bei ihnen gewesen wäre. Aber nach allem Herumfragen hat sie keinen gefunden, bei dem er die Nacht gewesen ist. Die Frau hat angefangen, großen Jammer zu treiben. Manche sagen, sie hätte sich mit ihm gezankt, da wär er fortgelaufen. Das hat, wie mir deucht, drei Jahre gedauert, daß jeder gesagt hat, was ihm gefallen hat. Manche haben viel Böses von ihm gesagt, was ich von dem Heiligen[1] – Gott räche sein Blut – nicht schreiben mag. Aber unsere menschliche Schwachheit ist leider also, daß wir oft mit unserem Maul reden, was unsere Augen nicht gesehen haben. Also ist die Sara nebbich mehr als drei Jahre eine lebendige Witwe gewesen mit ihren betrübten Waisen und hat die Leute nach deren Gefallen von ihrem Mann – Gott räche sein Blut – reden und judizieren lassen.


  1. Das Wort ist in der Bedeutung »Märtyrer« gebraucht.
Empfohlene Zitierweise:
Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 221. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_221.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)