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Erste Frage:
Was sind Volkssagen?

Im Grunde könnte man darunter alle jene Erzählungen von verschiedenartigstem Inhalte verstehen, die im Munde des Volks leben, und sich dort von der Großmutter zum Enkel getreu fortpflanzen. Indessen möchte alsdann manches dazu gerechnet werden, was diesen Namen eigentlich nicht verdient, als z. B. wirkliche historische Anekdoten, eigentliche Mährchen, die das Gepräge absichtlicher Erfindung an sich tragen, und und endlich, falls sie sich unter dem Volke erhalten sollten, jene erdichteten Erzählungen mit moralischer Richtung, die man in der neuern Zeit ihm geflissentlich in Kalendern, Aufklärungsschriften, Volksbüchern und dergleichen, hat in die Hände spielen wollen. Echte Volkssagen aber, lassen sich vielleicht an folgenden Unterscheidungszeichen erkennen:

1) sie ruhen auf einem geschichtlichen oder örtlichen Grunde; sie beziehen sich entweder auf wirkliche historische Personen, Familien und Begebenheiten, oder auf bekannte Gegenden und Orte, und bekommen eben dadurch einen Schein und Anstrich von Wahrheit;

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Gottschalck: Die Sagen und Volksmährchen der Deutschen. Hemmerde und Schwetschke, Halle 1814, Seite XIII. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gottschalck_Sagen_und_Volksmaehrchen_der_Deutschen.pdf/16&oldid=- (Version vom 1.8.2018)