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„Mitnichten! Die wenigste!“ erwiderte Thorgils. „Drohte Streit, so hatten meist die Anderen Schuld!“ –

„Alle drei sind ja Riesen an Kraft,“ sagte Skapte, „aber welchen von ihnen hältst[1] du für den Mutigsten?“ –

„Mutig sind sie alle drei auf gleiche Art,“ sagte Thorgils, „aber zwei von ihnen haben doch auch wieder Furcht, jeder in seiner Art!“ –

„Wie das?“ fragte Skapte.

„Nun,“ antwortete Thorgils, „Thormod fürchtet Gott; denn er ist ein gläubiger Mann. Gretter fürchtet auch, aber die Dunkelheit, und zwar in einem solchen Grade, daß er es nicht wagt, irgendwo hinzugehen, sobald es finster geworden ist. Thorgeir dagegen, glaube ich, fürchtet nichts weder Gott noch Menschen!“ –

„Was du da sagst, Thorgils, ist treffend!“ – erwiderte Skapte.

Dann trennten sie sich.

Vor diesen Althing brachte nun auch Thorodd Drapastuf seine Klage gegen Gretter wegen Tötung seines Bruders Thorbjoern Oexnamegin. Eigentlich hätte diese Verhandlung erst vor den kleineren Hunavatens-Thing gehört, allein hier fürchtete der Kläger nicht durchzudringen wegen der großen und einflußreichen Verwandschaft des Gretter. So brachte er denn die Verhandlung gleich vor den Althing.

Hier waren die Richter zunächst der Meinung, daß von keiner der streitenden Parteien Blutgeld zu verlangen sei. Denn Atle starb um Thorbjoerns und Thorbjoern um Atle’s willen; also hebt sich die Schuld Zug um Zug auf.

Gegen diese Auffassung der Richter erhob Skapte Widerspruch.

„Nicht darauf kommt es hier an,“ sagte er, „die Getöteten in ihrem gegenseitigen Werte abzuschätzen. Sondern blickt, ihr Männer, auf den Thäter, der die That gethan hat. Hier findet ihr den Unterschied. Den Atle erschlug Thorbjoern, ein freier Mann. Der ist für die That haftbar, oder, starb er, so sind haftbar an seiner Stelle seine Verwandten. Wer aber erschlug den Thorbjoern?“ – Gretter! – kein freier Mann, sondern ein Geächteter, dem es vom Gesetz verboten ist, hier zu erscheinen, und seine Sache selbst zu führen. Gegen Gretter können wir also hier nicht verhandeln, noch weniger, mit irgend welchem Recht, ihn belangen!“ – – – – – – – – – – – – – –

„Das ist mein Urteil.“ So sprach der Gesetzessprecher Skapte.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: hälst
Empfohlene Zitierweise:
Emil Dagobert Schoenfeld: Gretter der Starke. Schuster & Loeffler, Berlin 1896, Seite 127. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gretter_der_Starke.pdf/145&oldid=- (Version vom 1.8.2018)