Seite:Grimms Märchen Anmerkungen (Bolte Polivka) I 326.jpg

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mein zweiter kann auf seinem Esel reiten, was kann ich mit dem Kater anfangen? Laß ich mir ein paar Pelzhandschuhe aus seinem Fell machen, so ists vorbei.’ – ‘Hör’, fing der Kater an, der alles verstanden hatte, was er gesagt, ‘du brauchst mich nicht zu töten, um ein paar schlechte Handschuh aus meinem Pelz zu kriegen. Laß mir nur ein paar Stiefel machen, daß ich ausgehen kann und mich unter den Leuten sehen lassen, dann soll dir bald geholfen sein’. – ‘Was? Ein paar ordentliche Stiefel willst du wie andere Leute auch?’ – ‘Das sollt ich meinen’, sprach der Kater. Der Müllerssohn verwunderte sich, daß der Kater so sprach; weil aber eben der Schuster vorbeiging, rief er ihn herein und ließ ihm ein paar Stiefel anmessen. Als sie fertig waren, zog sie der Kater an, nahm einen Sack, machte den Boden desselben voll Korn, oben aber eine Schnur daran, womit man ihn zuziehen konnte, dann warf er ihn über den Rücken und ging auf zwei Beinen wie ein Mensch zur Tür, klinkte sie auf und mir nichts, dir nichts durch die Gassen zum Tor hinaus.

Dazumal regierte ein König in dem Land, der aß die Rebhühner so gern; es war aber eine Not, daß keine zu kriegen waren. Der ganze Wald war voll, aber sie waren so scheu, daß kein Jäger sie erreichen konnte. Das wußte der Kater und gedacht seine Sache besser zu machen; als er in den Wald kam, tat er den Sack auf, breitete das Korn auseinander, die Schnur aber legte er ins Gras und leitete sie hinter eine Hecke. Da versteckte er sich selber, schlich auf und ab, schaute und lauerte. Die Rebhühner kamen bald gelaufen, fanden das Korn, und eins nach dem andern hüpfte in den Sack hinein. Der Kater fing an zu spinnen vor Vergnügen, daß alles so wohl ging; doch hielt er sich, bis eine gute Anzahl darin war; da zog er den Strick zu, lief heran und drehte ihnen den Hals um; dann warf er den Sack auf den Rücken, war guter Dinge und ging geradeswegs nach des Königs Schloß. Die Wache rief: ‘Halt! Wohin?’ – ‘Zu dem König,’ antwortete der Kater kurzweg. ‘Bist du toll? Ein Kater zum König?’ – ‘Laß ihn nur gehen’, sagte ein anderer, ‘der König hat doch oft lange Weil; vielleicht macht ihm der Kater mit seinem Brummen und Spinnen Vergnügen.’ Der Kater zog den Schwanz auf den Rücken und trat ein. Als er vor den König kam, machte er eine Reverenz und sagte: ‘Mein Herr, der Graf (dabei nannte er einen langen und vornehmen Namen) läßt sich dem Herrn König empfehlen und schickt ihm hier Rebhühner, die er eben in Schlingen gefangen hat.’ – ‘Daß dich’, sagte der König erstaunt, als er die schönen Rebhühner sah, blies daran und fühlte, ob sie auch recht fett wären, wußte sich vor Freude nicht zu lassen und befahl, dem Kater soviel Gold aus der Schatzkammer in den Sack zu tun, als er tragen könne: ‘Das bring deinem Herrn und dank ihm noch vielmal für sein Geschenk!’

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Bolte, Jiří Polívka: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1913, Seite 326. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimms_M%C3%A4rchen_Anmerkungen_(Bolte_Polivka)_I_326.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)