Seite:Grimms Märchen Anmerkungen (Bolte Polivka) I 330.jpg

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das Glück will, daß der eigentliche Landherr Valentino nicht heimkehrt, sondern eines plötzlichen Todes stirbt. Die gatta heißt ausdrücklich fatata, aber nachdem sie ihres Herrn Glück gegründet hat, wird nichts weiter von ihr erzählt. – Basiles Gagliuso (Pentamerone 2, nr. 4) ist reicher ausgestattet. Ein Vater hinterläßt seinen beiden Söhnen dem einen ein Sieb, dem andern eine Katze. Diese erbarmt sich ihres Herrn und fängt Fische und Schnepfen, die sie hintereinander zum König trägt als Geschenke des Signore Gagliuso. Als der König seinen unbekannten Freund näher kennen lernen will, meldet sie, der Kammerdiener sei ihm heut entlaufen und habe alle Kleider mitgenommen, worauf ihm der König Kleider sendet und ihn prächtig bewirtet. Gut erzählt ist, wie dabei die Katze durch schnelle Vorwände Gagliusos niedrigem Sinn zu Hilfe kommen muß. Bald aber wünscht der König dessen angebliche Reichtümer kennen zu lernen und entsendet erkundigende Boten, denen jedoch die Katze voraneilt; und sie weiß es dahin zu bringen, daß auf den Feldern alle Hirten der Schafe, Kühe, Pferde sich für Gagliusos Leute ausgeben, sodaß nachher die Heirat mit des Königs Tochter schnell zustande kommt. Auf diese Weise wurde Gagliuso steinreich und glücklich und versprach seiner Katze aufs heiligste, daß sie zeitlebens gepflegt, nach ihrem Tode aber einbalsamiert und in goldenem Sarge aufbewahrt werden solle. Nach einiger Zeit stellt sich aber die Katze tot[1], und sogleich will Gagliuso sie am Beine greifen und zum Fenster hinauswerfen; da erhebt sich plötzlich die Totgeglaubte und entspringt dem Undankbaren. – Bei Perrault, wo ein sterbender Müller seinen drei Söhnen Mühle, Esel und Katze hinterläßt, verlangt die Katze ein Paar Stiefel, worin J. Grimm die auch von Zwergen oder Riesen angezogenen Meilenstiefel erblickt, deren der Kobold oder Hinzelmann hier bedarf, um mit gewaltiger Schnelle Wild zu jagen und alle übrigen Vorkehrungen zu treffen, die seinen Schützling als reichen Herren erscheinen lassen; vgl. Deutsche Mythologie³ S. 471. 476. 1051. 3, 145. Auch in einem österreichischen Kinderlied (Ziska und Schottky 1819 S. 12 = Böhme, Kihderlied und Kinderspiel 1897 S. 83) kommt die Vorstellung vor:

Hop, Hop, Heserlmåñ
Unsa Kåz håd Schtiferln åñ,
Rennt dåmid af Hollabrunn[2],
Fiñdt a Kiñdl in da Sunn.
Wiå solls hoaßn?
Kizl oda Goaßl.


  1. Vgl. zu diesem Schlusse die Hochzeit der Frau Füchsin (nr. 38).
  2. Marktflecken in Unterösterreich.
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Bolte, Jiří Polívka: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1913, Seite 330. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimms_M%C3%A4rchen_Anmerkungen_(Bolte_Polivka)_I_330.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)