Seite:Großherzoglich Hessisches AGBGB 164.jpg

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Ist das Erziehungsrecht auf die Mutter übergegangen, so ist diese zu einer Aenderung des Bekenntnisses des Kindes nur berechtigt, wenn sie auf ihren Antrag von dem Vormundschaftsgerichte hierzu ermächtigt wird. Die Ermächtigung kann, insbesondere dann, wenn das Kind an dem Religionsunterricht eines bestimmten Bekenntnisses noch nicht theilgenommen hat, aus wichtigen Gründen ertheilt werden.
Das Vormundschaftsgericht soll vor der Entscheidung Verwandte oder Verschwägerte des Kindes sowie das Kind selbst, sofern es das zwölfte Lebensjahr vollendet hat, hören, wenn es ohne erhebliche Verzögerung und ohne unverhältnißmäßige Kosten geschehen kann. Bei der Auswahl der zu hörenden Verwandten soll das Vormundschaftsgericht die väterlichen Verwandten des Kindes in aufsteigender Linie sowie die großjährigen Geschwister des Kindes und des Vaters des Kindes besonders berücksichtigen. Steht das Erziehungsrecht neben der Mutter einem für das Kind bestellten Vormund oder Pfleger zu, so soll auch dieser gehört werden. Der § 1847 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs findet entsprechende Anwendung.
Die Entscheidung ist der Mutter sowie den Personen, die nach Abs. 3 gehört worden sind, bekannt zu machen.
Gegen die Entscheidung des Vormundschaftsgerichts steht der Mutter des Kindes sowie den im Abs. 3 Satz 2 bezeichneten Verwandten des Kindes, sofern sie gehört worden sind, die sofortige Beschwerde zu. Die §§ 20 bis 31 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit finden entsprechende Anwendung.
Artikel 112.
Hat das Kind das vierzehnte Lebensjahr vollendet, so ist es berechtigt, sein Bekenntniß selbst zu bestimmen.
Artikel 113.
Auf die religiöse Erziehung eines unehelichen Kindes finden die Vorschriften der Artikel 108, 109, 110, des Artikel 111 Abs. 1, des Artikel 112 mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass an die Stelle des Vaters die uneheliche Mutter tritt.
Artikel 114.
Solange bei einem Mündel, insbesondere bei einem Findelkinde, die Verhältnisse, nach welchen sich die religiöse Erziehung des Mündels bestimmt, nicht ermittelt sind, hat der Vormund über die religiöse Erziehung zu entscheiden. Die Entscheidung bedarf der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts.