Mit vollem Recht erwecken die epigraphischen Studien ein täglich sich steigerndes Interesse. Auch aus dem großen Schiffbruch der antiken Litteratur wird ja zwar hin und wieder noch manches werthvolle Stück zu Tage gefördert, aus Papyrosrollen aegyptischer Gräber oder aus zwei- oder auch dreimal beschriebenen Pergamenten; aber in weit ausgedehnterem Maß wird unsere Kenntniss der verschiedenartigsten Seiten des Alterthums durch die zahlreichen Funde griechischer oder lateinischer Inschriften fortgesetzt erweitert. Zum Theil ist es der pure Zufall, der sie zu Tage bringt. Der Aufschwung der modernen Cultur, selbst in bisher derselben noch wenig zugänglichen Ländern, und besonders die im Gefolge dieser modernen Cultur auftretenden Bauanlagen, wie die von Straßen, Brücken und Eisenbahnen, haben die zufälligen Funde in jüngster Zeit erheblich vermehrt; auch trägt die wenigstens extensiv im Steigen begriffene Bildung dazu bei, dass weniger Denkmäler, insbesondere weniger Bronzen, nach der Auffindung zerstört oder verbraucht werden. Zum Theil wird ihre Auffindung absichtlichen Nachgrabungen verdankt, wie sie nicht bloß in Athen und in Olympia, in Troia und in Mykenae, in Cypern und in Aegypten, in Jerusalem und in Rom, sondern ebenso auch an den verschiedensten weniger bedeutenden Plätzen antiker Cultur im Zuge sind. Es liegt in der Natur der Sache, dass nicht immer, bei den zufälligen Funden besonders, Gelehrte zur Hand sind, welche im Stande wären, die neu gefundenen Inschriften richtig zu lesen. Selbst im ganzen wohlerhaltene lateinische Inschriften, um von den zuweilen sehr umfangreichen griechischen Urkunden zu schweigen, welche das Fehlen der Interpunction und Accentuierung an sich schon schwer verständlich
Emil Hübner: Über mechanische Copieen von Inschriften. Weidmannsche Buchhandlung, Berlin 1881, Seite 1. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:H%C3%BCbner_%C3%9Cber_mechanische_Copieen_von_Inschriften.djvu/05&oldid=- (Version vom 1.8.2018)